Zank in Bonn um CSFR-Vertrag

Differenzen um Vermögensrechte von vertriebenen Sudetendeutschen belasten den Neuanfang/ SPD-Sprecher Voigt: Späte Unterzeichnung macht Vertrag zum Streitobjekt im CSFR-Wahlkampf  ■ Aus Bonn Andreas Zumach

Differenzen über Vermögens- und Rückkehrrechte von vertriebenen Sudetendeutschen drohen auch weiterhin das Verhältnis zwischen Bonn und Prag zu belasten. Das wurde wenige Tage vor der für Donnerstag vorgesehenen Unterzeichnung des deutsch-tschechoslowakischen Freundschaftsvertrages durch Staatspräsident Havel und Bundeskanzler Kohl deutlich.

Am Sonntag hatte CSFR-Regierungschef Pithart in einem Interview mit der 'Welt‘ erklärt, Havel habe der Bundesregierung das Angebot gemacht, den vertriebenen Sudetendeutschen die Rückkehr zu gestatten und ihre Eigentumsansprüche zu befriedigen. Unter der Voraussetzung, daß Bonn das Münchner Abkommen von 1938 für „null und nichtig“ erklärt. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Voigt, warf daraufhin der Bundesregierung eine „grobe Vernachlässigung“ der Information des Auswärtigen Bundestagsausschusses vor. Ein derartiger Vorschlag Havels hätte zu „einer Güterabwägung“ bei den Verhandlungen führen müssen. Voigt kündigte an, die SPD behalte sich wegen der Unklarheiten „weitere Konsequenzen“ auch bei der Formulierung der Bundestagsresolution zum deutsch-tschechoslowakischen Vertrag vor.

Der CSFR-Rundfunk stellte Havels Angebot gestern jedoch in einem entscheidenden Punkt anders dar als Pithart. Danach sollten — bei Nichtigkeitserklärung des Münchner Abkommens — Sudetendeutsche auf Wunsch die CSFR-Staatsbürgerschaft erhalten. Bei Rückkehr in die CSFR sei sogar vorgesehen, sie an der ersten Runde der Versteigerung von Eigentum teilnehmen zu lassen. Nach Auskunft des Bonner Regierungssprechers Vogel machte Havel diesen Vorschlag in einem Gespräch mit Kohl. Die zuständigen Ausschüsse der Parlamente in Bonn und Prag wurden hierüber aber nicht unterrichtet. Die Bundesregierung lehnte die verlangte Nichtigkeitserklärung des Münchner Abkommens ab.

Beide Seiten einigten sich schließlich im Vertrag auf eine Formulierung, wonach Sudetendeutsche bei Versteigerungen kleinerer Vermögenswerte (Betriebe bis zu 500 MitarbeiterInnen zum Beispiel Gaststätten oder Hotels) in zweiter Runde mitbieten können. Die erste Runde ist Personen mit CSFR-Staatsbürgerschaft vorbehalten.

Auch für den Fall, daß Pitharts Darstellung über den Inhalt von Havels Angebot nicht zutreffe, bleibe Kritik am Verhalten der Bundesregierung, erklärte Voigt gegenüber der taz. Durch die von Bonn zu verantwortende späte Unterzeichnung des Vertrages sei dieser zum Streitobjekt im CSFR-Wahlkampf geworden. Der „notwendige Neuanfang“ werde „durch die Rückschau in die Vergangenheit belastet“, erklärte Voigt. Die Belastung werde um so stärker, je länger sich der Ratifizierungsprozeß hinziehe. Voigt kritisierte, daß der „dringende Wunsch“ des Auswärtigen Ausschusses im CSFR-Parlament nach einer gemeinsamen Sitzung mit dem entsprechenden Ausschuß des Bundestages noch vor der Unterzeichnung des Vertrages von der Koalitionsmehrheit im Ausschuß abgelehnt wurde. Jetzt soll diese gemeinsame Sitzung erst am Montag nächster Woche stattfinden. Der SPD-Politiker monierte zudem, daß es bislang noch keine gemeinsame Beratung der Bundestagsparteien über einen Entwurf für die Bundestagsresolution zum Vertrag gegeben hat.