„Siedlungsstopp nicht einen einzigen Tag“

Araber und Israelis zur Nahost-Runde in Washington treffen mit unversöhnlichen Positionen aufeinander  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die soeben begonnene Nahost-Gesprächsrunde in Washington steht im Zeichen von Krisen und Konflikten, die den „Friedensprozeß“ in Kürze völlig zum Erliegen bringen könnten. Ganz abgesehen von den blutigen Ereignissen im Südlibanon besteht auch deshalb wenig Aussicht auf Fortschritte in den Verhandlungen, weil der israelische Wahlkampf bereits in vollem Gange ist.

Gestern, pünktlich zu Beginn der Nahost-Gespräche, erklärte Ministerpräsident Schamir vor israelischen Siedlern: „Als Ministerpräsident werde ich mich auch nicht einen einzigen Tag lang dafür hergeben, die jüdische Bautätigkeit in Judäa, Samaria und im Gazastreifen aufzugeben.“ Die mögliche Verknüpfung einer amerikanischen Kreditgarantie mit einem Siedlungsstopp stellte Schamir in Abrede.

Von der israelischen Botschaft in Washington wird neuerdings der Vorschlag eines Abkommens mit den USA lanciert, in dem die Entstehung eines palästinensischen Staates ausgeschlossen werden soll. Für ein solches Abkommen und die Gewährung der Kreditgarantien wäre Israel eventuell bereit, „das Tempo des Siedlungsbaus zu verlangsamen“.

Die palästinensische Delegation wird das Thema „Siedlungsstopp“ wohl gleich zu Beginn der Verhandlungen in Washington auf den Tisch bringen. Für die Bewohner der besetzten Gebiete hat die israelische Landnahme schon seit langem bedrohliche Ausmaße angenommen. Nach jüngsten Schätzungen sind über siebzig Prozent des Bodens in der Westbank beschlagnahmt worden. Die Fortsetzung der Siedlungspolitik entzieht der palästinensischen Delegation Stück für Stück die Legitimation für weitere Verhandlungen.

Die syrische Regierung hat Kairo und andere arabische Regierungen davon in Kenntnis gesetzt, daß sie die Verhandlungen abbrechen wird, wenn in Washington weiterhin „nur Wasser getreten“ wird. Damaskus und Beirut erwarten diesmal eine klare israelische Antwort auf die Forderung nach einem Abzug aus besetzten Gebieten. Suheil Schamas, Leiter der libanesischen Delegation und Generaldirektor des Beiruter Außenministeriums erklärte, er sei ausschließlich mit Verhandlungen über die UN-Resolution 425 beauftragt, die von Israel den Abzug aus dem Südlibanon verlangt.

Immer wieder kommt es zwischen Israelis und Palästinensern zu blutigen Zwischenfällen. Nachdem am Samstag in den besetzten Gebieten zwei Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen wurden, explodierte am Sonntag eine Bombe in einem auch von jüdischen Israelis bewohnten Teil Ostjerusalems. Gestern erschoß ein Palästinenser in Dschenin (Westbank) einen israelischen Wachmann. Die Stadt wurde unter Ausgangssperre gestellt.