Der Wachtelrealisator

■ Die unvergleichlichen Vier vom Theaitos-Trio: Sonntagsdada bei Dadacapo

Sie puppt mit Puppen, so überschrieb der Dadaist Kurt Schwitters eines seiner Gedichte. Aber wie puppt sie denn? Seit Sonntag abend besteht darüber endlich auch in Bremen Klarheit: zwei der vier vom Trio Theaitetos brauchten in der Theaterkneipe Falstaff dazu nur eine Wasserschüssel und einen Aktenordner; ersteres zum Hineintauchen und letzteres für die musikalische Begleitung.

Auch Ur-Dadaist Platon (Das Sein und das Nichtsein) und Spätkömmling Ror Wolf liefern Textvorlagen und die allerdings ungestellte Frage, wo Dada anfängt und ob es überhaupt aufhört.

Die vier Musiker aus Münster sehen sich mit ihren Collagen aus Musik, Witz und Unsinn vor allem in der Tradition von Kurt Schwitters (1887 — 1948). Hauptbestandteil ihres Programms sind Vertonungen, wobei der Begriff wörtlich zu nehmen ist, denn es kommt nicht immer Musik dabei heraus. Schwitters' Dichtung, an sich schon absurd genug, wird so zum Erlebnis, und man fragt sich, ob Platon seine phlilosophischen Ergüsse wirklich ernst gemeint hat.

Alle vier singen gerne und (wenn sie wollen) gut. Johannes Dolezich stützt bzw. stürzt sich auf diesen mehr- bis unstimmigen Gesang mit seinem Keyboard, Helmut Buntjer posaunt und singt manches Solo (aber wie!), Udo Herbst spielt Tenorbanjo und Saxofon, fasziniert unterdessen mit seinem vielfältig traurigen Gesicht (das einem Beckett-Stück

Ein- bis unstimmiger Gesang, musikalische Spottgeburten und der Ur-Dadaist Platon

entsprungen sein könnte), und Bernd Kortenkamp erzählt und rezitiert ganz hinreißend.

Ror Wolfs 80 Runden im Schnee, eine Geschichte über einen Boxkampf mit langsam einschneiendem Publikum wird durch ihn lebendig — und mannigfaltig illustriert durch das, was in den Instrumenten steckt oder notfalls hineingesteckt wird.

Bernd Kortenkamps Spezialität ist der Wachtelrealisator. Ein Gestell, hoch wie eine Standuhr, gekrönt von einem Zinkeimer mit Mistgabel, bestückt mit Deckeln, einem schabenden Ventilator, einem rostigen Kreissägeblatt, Federn und unendlich viel mehr. Töne werden diesem Getüm mit Schraubenschlüsseln, Ästen, Spachteln oder — sehr feinfühlig — den bloßen Händen entlockt.

So blieb vom ehemals bürgerschrecklichen Dada der Spaß am und im Absurden. Das Trio Theaitetos stürzte sich begeistert hinein. Wilfried Wiemer