„Ein Stadtteil wird ausgetrocknet“

■ Aktionstag gegen ABM-Kahlschlag in Tenever / „Nachbesserung“?

Osterholz-Tenever war einst eine Wahlhochburg der SPD. 60,9 Prozent der rund 13.000 EinwohnerInnen gaben den Sozialdemokraten 1987 ihre Stimmen. 1991 waren es nur noch 43,2 Prozent. Dafür suchten 8,5 Prozent bei der Deutschen Volksunion (DVU) ihr Recht. Diese Abstimmung auch als Protest gegen die Lebensbedingungen in der Betonsiedlung zu suchen, scheint nicht weit hergeholt. Bis 1995 soll im Stadtteil für 7,2 Millionen Mark „nachgebessert“ werden. Die ersten Projekte sind angelaufen, zum Beispiel der Ausbau des Jugendcafes für 80.000 Mark — doch jetzt ist die Stelle des Sozialpädagogen von Streichung bedroht. Ein Beispiel von 37 möglichen. Über 30 Projekte und Initiativen sind in Tenever von der aus Nürnberg verordneten ABM-Kürzung bedroht. „Aber Nachbesserung ist nicht nur eine Frage von Geld und Bauen, sondern von Leben und vielfältien Aktivitäten der Bewohner“, konstatierte gestern einer der beiden von der Stadt eingesetzten „Nachbesserer“, Joachim Barloschky. Durch die drohende Austrocknung der Projekte würde die Nachbesserung konterkariert, so der Stadtteilkoordinator.

Gestern war in Tenever „Aktionstag“. Über 100 MitarbeiterInnen von Projekten und Initiativen des Arbeitskreises Tenever waren den ganzen Tag über im Stadtteil unterwegs, um die BewohnerInnen über die Konsequenzen der geplanten ABM- Kürzungen zu informieren. „Ein Stadtteil wird ausgetrocknet“, steht auf den Flugblättern des Arbeitskreises. In den sozialen und kulturellen Projekten Tenevers sind zur Zeit 34 MitarbeiterInnen auf ABM-Basis beschäftigt, drei weitere als Stammkräfte, finanziert aus dem Topf der Senatorin für Arbeit. Wenn hier die Zweidrittel-Kürzung, mit Schwerpunkt bei den AkademikerInnen, voll durchschlüge, bliebe kaum noch eine Handvoll ABM-Stellen übrig, rechnete Claudia Krentz vom Arbeitskreis Tenever gestern auf einer Pressekonferenz im Arbeitslosenzentrum vor. Unmittelbar von Schließung bedroht ist ein Betreuungsprojekt für täglich rund 30 Kinder und 20 Jugendliche. Die Stelle von Roland Vermeulen endet diese Woche und „dann machen wir die Hütte dicht.“ Monatlich könnten weitere Schließungen folgen: Mütterzentrum, Seniorenwerkstatt, Kulturbüro, Projekte zur Ausländerintegration, Mädchen-und Jungenarbeit im Freizeitheim.

Und und und. „Bestimmt 50 Prozent der Bevölkerung hier sind direkt davon betroffen“, meint Bewohnervertreter Klaus Scheins. Für Arbeitslose, gefährdete Jugendliche, Alleinerziehende und viele andere „Problemgruppen“ seien die Projekte wichtige Anlaufstellen. Barloschky warnt vor „Panikmache“ und hofft: „Tenever ist ein sozialer Brennpunkt. Der Senat wird das berücksichtigen.“ asp