Tour d'Europe

■ Alter allein reicht nicht

„Vergleichszahlen über das Einkommen von RentnerInnen in der EG wollen Sie haben?“ — Die Experten reagieren ratlos. Weder die Bundesregierung noch die Europäische Gemeinschaft, nicht einmal der „Verband deutscher Rentenversicherungsträger“ und die Lobbyisten vom „Zentralverband der Rentner“ verfügen über die gewünschten Daten: Die Versorgung der rund 50 Millionen EG-BürgerInnen über 65 Jahre ist allein Sache der nationalen Regierungen, die Gemeinschaft hält sich völlig raus.

Schon Artikel 3 der römischen Gründungsverträge der EWG von 1957 legt fest, daß die Gemeinschaft keine Befugnis hat, im Sozialbereich in die Kompetenzen der einzelnen Länder einzugreifen. Auch die im Dezember im niederländischen Maastricht vereinbarte politische und Wirtschaftsunion ändert nichts an dieser Selbstbeschränkung.

Als nationale Angelegenheit hatte die Für- und Vorsorge für Rentner im vergangenen Jahrhundert auch begonnen. Als erstes Land führte Deutschland 1889 ein Rentengesetz ein. 1911 folgte die „Reichsversicherungsordnung“, die in modifizierter Form bis heute gilt. Die meisten heutigen EG-Länder verfaßten im ersten und zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts Gesetze, die die soziale Sicherheit der Alten regelten. Das Schlußlicht bildete Griechenland, das erst 1934 nachzog. Die Gesetze legen Altersgrenzen für abhängig Beschäftigte fest. Sie regeln, welche Beiträge die Berufstätigen für die Altersversorgung zahlen müssen. Und sie bestimmen die Höhe der Leistungen, auf die jeder Rentner Anspruch hat.

Doch damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon: Zwar ist in den meisten EG-Ländern die Rente eine Funktion von Arbeitszeit (Versicherungszeitraum) und -einkommen (Versicherungsbeiträge), doch wie lange man arbeiten muß, um in den Genuß von „Altersruhegeld“ zu kommen, ist ganz unterschiedlich. In Belgien und Deutschland sind 45 Jahre Schufterei nötig, um den vollen Rentenversicherungsschutz zu bekommen, in Luxemburg reichen 40 Jahre, in Frankreich 37,5 Jahre und in Portugal sind es „nur“ 37 Jahre. Nur in den Niederlanden haben alte Menschen grundsätzlich einen Anspruch auf ein Rente, unabhängig davon, ob und wie lange sie gearbeitet haben. Voraussetzung ist nur, daß sie ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben.

Höchst unterschiedlich sind auch die Einkommensverluste der EG-BürgerInnen, die das 65. Lebensjahr überschreiten: So verfügen portugiesische RentnerInnen über mehr als 80 Prozent ihres früheren Nettoeinkommens (das allerdings am unteren Ende der EG-Lohnskala liegt), während niederländische RentnerInnen im Durchschnitt nur noch knapp 50 Prozent ihres früheren Einkommens haben, wie das EG- eigene Institut „Eurostat“ im vergangenen Jahr ermittelte. Irgendwo dazwischen liegen Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Bundesrepublik. Für die übrigen EG-Länder liegen keine Daten vor.

Ob die RentnerInnen genug zum Leben haben, weiß die EG schlicht nicht. Die Statistiker haben lediglich ermittelt, daß die Nachfrage nach zusätzlicher privater Altersversorgung steigt. Dennoch ist die Einführung einer EG-weiten Mindestrente derzeit reine Zukunftsmusik — es sei denn, Europas RenterInnen klettern auf die Barrikaden. dora