INTERVIEW
: Rentner ins Europäische Parlament

■ Der sozialistische Abgeordnete aus Luxemburg, Ben Fayot, ist Mitinitiator des ersten europäischen Seniorenparlaments, das Ende März in Luxemburg tagen wird/ Forderung nach europaweiten Mindesteinkommen

taz: Was wollen Sie mit dem Seniorenparlament erreichen?

Ben Fayot: Ältere Menschen, Pensionäre oder Leute über sechzig, machen insgesamt wohl ein Drittel der EG-Bevölkerung aus. Das sind 120 bis 130 Millionen Menschen, die in der Gemeinschaft wenig oder gar nicht repräsentiert sind. Deswegen organisieren wir am 30. und 31. März in Luxemburg eine Sitzung des Europaparlaments, an der statt der 536 Abgeordneten genauso viele Senioren teilnehmen. Wir wollen damit der sozialistischen Fraktion und anderen Abgeordneten die Gelegenheit geben, sich anzuhören, was diese Vertreter aus den zwölf EG-Ländern zu sagen haben. Außerdem bereiten wir eine europäische Seniorencharta vor, in der die Rechte der älteren Menschen festgehalten werden sollen.

Was sind die konkreten Themen der Konferenz?

Wir nennen es Seniorenparlament, weil wir uns nicht nur mit den Renten auseinandersetzen wollen, obwohl die Einkommenssituation älterer Leute in manchen Ländern wie Großbritannien und Portugal besonders schlimm ist. In anderen Ländern sind jedoch andere Probleme dringender, zum Beispiel die Autonomie der älteren Menschen, die Dienstleistungen, die ihnen von der Gesellschaft erbracht werden müssen, die Einbindung der älteren Menschen in das soziale Netz, Wohnungsprobleme, Schwierigkeiten zwischen den Generationen. Unser Ziel ist es, eine allgemeine Bestandsaufnahme mit älteren Menschen zu machen, die wir dann für die Politik der sozialistischen Fraktion und des Europaparlaments im allgemeinen benutzen können, um politisch Akzente zu setzen.

Wer ist eingeladen worden?

Wir haben die einzelnen nationalen Delegationen aus unserer Fraktion gebeten, in ihren jeweiligen Ländern Vertreter und Vertreterinnen ausfindig zu machen. Auflage war dabei, daß etwa genauso viele Frauen wie Männer eingeladen werden, und zwar nicht nur aus sozialistischen oder sozialdemokratischen Organisationen. Eingeladen wurden Vereinigungen älterer Menschen, aber auch Einzelpersonen.

Was haben die Senioren von Europa zu erwarten?

Soziale Sicherheit, Renten, Dienste für ältere Menschen — das fällt ja alles noch unter die nationale Politik. Wir finden es wichtig, daß ältere Menschen sich grenzübergreifend begegnen, damit zwischen den einzelnen Organisationen ein Netz von Verbindungen entsteht. Auf diese Weise könnten für die europäische Sozialpolitik Forderungen aufgestellt werden — zum Beispiel nach Mindesteinkommen auf europäischer Ebene. Ich denke dabei an Großbritannien, wo wirklich ein sehr großer Nachholbedarf besteht. Wenn wir auf europäischer Ebene Druck machen, könnte auch auf nationaler Ebene etwas erreicht werden.

Gibt es bereits Ansätze einer EG-Seniorenpolitik?

Rentner können überall in EG-Europa wohnen und dort auch ihre Rente beziehen. Aber abgesehen von dieser Freizügigkeit wollen wir, daß sich das Niveau der Renten nach und nach angleicht. Es geht doch nicht, daß in einigen Ländern wie Portugal die Renten nicht an die Teuerungsrate angepaßt werden, wie das in anderen Ländern selbstverständlich der Fall ist. Diese himmelschreienden Unterschiede müssen abgebaut werden. Dies wird sicher ein Ergebnis der Konferenz sein. Interview: Michael Bullard