Keine Chance für Boat people aus Haiti

Washington/Port-au-Prince (wps/ taz) — Der Oberste Gerichtshof der USA hat die letzte Hoffnung der haitianischen Bootsflüchtlinge auf Zuflucht in den USA zunichte gemacht. Mit nur einer Gegenstimme verweigerte eine Mehrheit von acht Richtern am Montag den Anwälten der Flüchtlinge eine reguläre Anhörung der Asylgründe — und hob damit den Abschiebestopp auf. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, daß Haitis provisorische Regierung unter Jean-Jacques Honorat nicht bereit ist, die am Sonntag in Washington getroffene Entscheidung über die Rückkehr des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide zu akzeptieren. Bereits am Wochenende hatte das haitianische Außenministerium erklärt, die Regierung fühle sich nicht an Abmachungen gebunden, die in Washington getroffen würden. In Haiti hat das staatliche Fernsehen mit einer Kampagne gegen Aristides Rückkehr begonnen.

Die Flüchtlinge, deren Zahl seit dem Putsch gegen Aristide am 30.September 1991 auf rund 16.000 angewachsen ist, müssen folglich weiterhin nach ihrer Abschiebung Repressalien befürchten — wobei angesichts des zweifelhaften Kompromisses von Washington fraglich ist, ob sie nach einer Rückkehr Aristides tatsächlich mehr Schutz erwarten könnten. Gegen die Massenabschiebungen waren zuvor Proteste laut geworden, nachdem bekannt geworden war, daß abgeschobene Boat people nach ihrer Rückkehr von der Polizei verfolgt, gefoltert oder sogar ermordet worden sind. Die US-Regierung bezweifelt allerdings den Wahrheitsgehalt der Augenzeugenberichte und spricht der Mehrheit der Geflohenen nach wie vor den Status politisch Verfolgter ab. In den letzten Wochen waren rund 4.900 Asylsuchende von der US-Küstenwache in die Heimat zurückgebracht worden. Etwa 7.500 halten sich noch auf dem US-Stützpunkt Guantanamo Bay auf. Die Einwanderungsbehörde hat allerdings— entgegen der offiziellen Regierungslinie — weiteren 5.000 Flüchtlingen eine vorläufige Einreisegenehmigung erteilt, damit sie in den USA die Chance auf ein reguläres Asylverfahren bekommen. anb