Türkische Journalisten im Fadenkreuz

■ Innerhalb weniger Tage wurde in der Türkei der zweite Journalist erschossen, der über eine mögliche Kooperation zwischen Fundamentalisten und dem Militär recherchierte

Istanbul (taz) — Die Redakteure der prokurdischen Wochenzeitschrift 'Yeni Ülke‘ hatten eine dunkle Vorahnung. „Falls du nach Gercüs kommst, werden wir dich umbringen“, so hatten sie kürzlich mit einem Zitat einen Artikel über die Festnahme ihres Korrespondenten betitelt. „Unser Batmaner Korrespondent Cengiz Altun, der Anfang Oktober über die Massaker der ,Counter- Guerilla‘ recherchierte, wurde in der Gendarmeriewache Gercüs, die Augen verbunden und die Hände gefesselt, zwei Tage lange festgehalten. ,Du solltest beten, daß es Augenzeugen gibt, die gesehen haben, wie wir dich mitgenommen haben. Sonst wärest du nicht registriert‘, wurde ihm gedroht. Ohne einem Staatsanwalt vorgeführt zu werden, wurde unser Korrespondent dann freigelassen.“ Die Drohung ist Wirklichkeit geworden. Cengiz Altun, der mehrere Artikel über die Kooperation der Terrororganisation „Hizbollah“ mit der von Militärs geführten Counter- Guerilla veröffentlichte, wurde am Montag in Batman ermordet. Auf dem Weg ins Büro wurde er von sieben Kugeln durchlöchert.

„Der Kette von unaufgeklärten Morden ist ein weiterer hinzugefügt worden, wird man sagen“, konstatiert resigniert der Chefredakteur von 'Yeni Ülke‘, Memet Oguz, den Mord. Seit Anfang des Jahres ist Altun das dritte Opfer in der kurdischen Stadt Batman. In Kurdistan waren es in den vergangenen Monaten Dutzende Morde, die der Hizbollah zur Last gelegt werden. Die Opfer waren stets kurdische Persönlichkeiten, die der Guerilla PKK, der „Arbeiterpartei Kurdistans“, nahestanden. Zuverlässigen Quellen aus der Region zufolge handelt es sich bei der fundamentalistischen Hizbollah um einen Ableger der Counter-Guerilla, die im staatlichen Auftrag die Drecksarbeit im kurdischen Bürgerkriegsgebiet übernimmt. Erst jüngst berichtete das linke Wochenmagazin '2000e Dogru‘ (Richtung 2000), daß Hizbollah-Anhänger auf Polizeigelände ausgebildet werden. Der ehemalige Innenminister Abdülkadir Aksu habe eine entscheidende Rolle dabei gespielt, den Sicherheitsapparat in den kurdischen Regionen mit Fundamentalisten zu durchsetzen. Kurze Zeit später, nur eine Woche vor dem Mord an Altun, wurde Halit Güngen, Korrespondent von '2000e Dogru‘ auf offener Straße ermordet.

Seit Mitte vergangenen Jahres ranken sich in der türkischen Presse Gerüchte um die Hizbollah, die insbesondere in den islamisch orientierten kurdischen Regionen, dem türkischen Militär als private Terrororganisation im Kampf gegen die PKK zur Seite steht. „Krieg zwischen der PKK und Hizbollah“, titelten türkische Tageszeitungen, als sowohl Läden von PKK-Sympathisanten als auch von islamischen Persönlichkeiten bombardiert wurden. Doch eine Reihe von Indizien sprechen dafür, daß die Täter die gleichen waren. Der sozialdemokratische Abgeordnete Hatip Dicle gibt zu bedenken, daß die benutzten Bomben aus der Produktion des staatlichen Rüstungskonzerns MKE stammen: Bomben, wie sie das türkische Militär benutzt. Akin Uygun, dessen „islamischer Buchladen“ Ende Dezember bombardiert wurde, vermutet ein Komplott, um PKK-Sympathisanten und Religiöse gegeneinander aufzubringen. „Diese Kräfte wollen die Bomben der PKK zuschreiben, damit wir sie mit Aktionen erwidern.“

Auch die PKK geht nicht von der Existenz einer eigenständigen, fundamentalistischen Organisation „Hizbollah“ aus. „Die Aktionen weisen Parallelen zu Aktionen der Counter-Guerilla auf. Die Counter- Guerilla hat sich unter dem Decknamen ,Hizbollah‘ organisiert“, ließ die Europavertretung der PKK schon vor Monaten verlauten. öe