Spaniens Giftölaffäre wieder offen

■ Berufung für Giftopfer vor dem Obersten Gerichtshof

Madrid (taz) — 2.000 Opfer drängten sich am Montag im Obersten Gerichtshof, um im Berufungsprozeß gegen die Speiseölpanscher Gerechtigkeit zu fordern. Elf Jahre nachdem 25.000 Menschen in ganz Spanien schwer erkrankten und 700 starben, sind die Ursachen noch immer nicht restlos geklärt. In dem ein Jahr dauernden Prozeß gegen 38 Unternehmer, der im Mai 1989 zu Ende ging, erklärte das Gericht, Thesen, die Vergiftungen seien auf das Bayer-Pestizid Nemacur oder etwa einen B-Waffen-Unfall auf einer US-Basis zurückzuführen, hätten nicht erhärtet werden können. Die schweren Vergiftungen seien auf die Vergällung von Speise- mit Rapsöl zurückzuführen, durch die sich giftige Aniline gebildet hätten. Die Strafen gegen die 38 Angeklagten: Der Unternehmer Bengoechea, der das Rapsöl aus Frankreich importiert und als Lebensmittel weiterverkauft hatte, erhielt 20 Jahre Gefängnis. Mehrere Angeklagte wurden freigesprochen. Eine Tötungsabsicht sei den Angeklagten nicht nachzuweisen gewesen.

Dagegen sind Staatsanwalt, Vertreter der Nebenklage sowie Verteidigung in Berufung gegangen. Der Staatsanwalt fordert eine Erhöhung der Strafe wegen Vergehens gegen die öffentliche Gesundheit mit Todesfolge in 329 Fällen. Die Verteidiger hingegen fordern Freispruch, da ihre Mandanten die Wirkung der Ölmischung nicht hätten kennen können.

Der Berufungsprozeß hat einen Skandal in Erinnerung gebracht, der vor elf Jahren in Spanien Panik auslöste, dann jedoch weitgehend in Vergessenheit geriet — außer unter den Opfern. Viele sitzen im Rollstuhl, einige können sich nie wieder in die Berufswelt eingliedern. Ihr Leben ist von Unbeweglichkeit und heftigen Schmerzen gekennzeichnet. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und noch eine eventuelle Haftung des Staats geklärt werden muß, haben sie bislang keinen Pfennig Entschädigung gesehen. Antje Bauer