Sozialistischer Hochschulbund liebäugelt mit SPD

■ Die einzige Alternative zur schleichenden Selbstauflösung liegt für den Rest der aktiven SHB-Mitglieder im Anschluß an die Juso-Hochschulgruppen/ Dort ist man nicht nur unglücklich über kompetenten Zuwachs aus den Reihen der Konkurrenzorganisation

Berlin/München (taz) — Deutschlands linke StudentInnen söhnen sich mit der Sozialdemokratie aus. Die letzten 80 der ehemals 2.000 Aktiven des Sozialistischen Hochschulbundes (SHB) sind bundesweit im Begriff, sich den Hochschulgruppen der Jungsozialisten (Jusos) anzuschließen, um der schleichenden Selbstabwicklung zu entgehen.

In den 70er Jahren waren SHB und Jusos noch erbitterte Feinde. Während der Sozialistische Hochschulbund den Geschwister-Scholl-Platz der Münchner Uni mit Flugblättern übersäte, die Maschinenrad und Buch als Embleme zierten, schwenkten die Jusos ihre Rosen-Transparente. Die Symbole las man als Programm. Der SHB stand für den marxistischen Kampf gegen das „staatsmonopolistische System“, den Handschlag von Intelligenz und Arbeiterschaft, die Hochschulgruppen der Jusos hingegen für gemäßigte, sozialdemokratische Positionen.

Ihre Konkurrenz um die StudentInnengunst ließ vergessen, daß beide Organisationen von der SPD gegründet und großgezogen wurden. Erst als der SHB 1968 gegen die Notstandsgesetzgebung protestierte und zunehmend außerparlamentarische, marxistische Positionen vertrat, platzte der Mutterpartei der Kragen. Per Gerichtsbeschluß erkannte die SPD dem SHB 1972 den Titel „sozialdemokratisch“ ab und rief die Juso- Hochschulgruppen ins Leben. Seither entfachte jede Wahl zum Studentenparlament den wütenden Streit um den richtigen Weg zum „größtmöglichen Glück aller“.

Im vereinten Deutschland ist, was ehemals linke Politik hieß, bestenfalls Nostalgie. Die Bundesdelegiertenversammlung des SHB verordnete sich deshalb im Oktober 1991, „mit inhaltlichen Initiativen in die zentralen hochschulpolitischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einzugreifen“, und zwar mit dem Ziel, „den Prozeß zu einer sozialdemokratischen Hochschulorganisation in unserem Sinne zu gestalten“. Der Übertritt zu den Jusos ist für Angela Christ aus dem SHB-Bundesvorstand daher die „realistischste Option“.

Die Jungsozialisten wiederum sehen diese Entwicklung mit verhaltenem Interesse. Sie plagt nicht nur der Mitgliederschwund — seit 1970 verloren sie jährlich rund 10.000 Anhänger —, sondern außerdem der eklatante Mangel an theoriegeschulten Geistern. Die zumeist gewitzten SHBler passen den Juso-Mannen ganz gut ins Konzept: Der frauenschwache Juso-Unterbezirk Oberbayern wählte im Januar kurzerhand zwei SHBlerinnen in den Vorstand.

Eine von ihnen, Corinna Poll, kann sich mittlerweile sogar vorstellen, daß sie in der SPD zu ihren „Lieblingsthemengebieten Bildungs- und Frauenpolitik“ arbeitet. Wann und wie es aber zu einem offiziellen Zusammenschluß von SHB und Jusos kommen wird, bleibt vorerst offen.

Denn Ralf Ludwig, Bundesvorsitzender der Jusos, will am Status seiner „Projektgruppen“ nicht rütteln. „Einen neuen Hochschulverband der SPD wird es nicht geben. Wer bei uns mitmachen will, kann das aber gerne tun.“ Ludwig findet, der Sozialistische Hochschulbund habe sich 1989 „nicht genügend vom Massaker der chinesischen KP distanziert“ und damit „total diskreditiert“ — ungeachtet der Tatsache, daß eine klare Verurteilung Chinas durch den Bundesausschuß des SHB vorliegt. Der Reformer Ludwig aber will Konflikte innerhalb der Jusos vermeiden und wartet darauf, daß der SHB still in sich zusammenbricht.

Dessen ungeachtet läuft die Diskussion zwischen SHB und Jusos in den Hochschulen Münster, Karlsruhe und München auf Hochtouren. Strittig ist das Verhältnis zur Sozialdemokratie. Der SHB will zumindest seine inhaltliche Unabhängigkeit von den Jusos herüberretten. Als verstoßenes Kind der SPD war er seit 1972 auf öffentliche Mittel des „Rings politischer Jugend“ angewiesen. In den 80er Jahren finanzierte sich der SHB ausschließlich durch Mitgliederbeiträge und einen Förderkreis. Gelder aus der DDR habe man nie erhalten. Weil die klassenkämpferischen Aktivitäten bis 1991 vom Verfassungsschutz überwacht wurden, gilt bis heute für einige SHB-Mitstreiter in Deutschland Berufsverbot. Mirjam Schaub