Heißer Streit in Irland

■ Diskussion um Abtreibung und Verfassung wird immer erbitterter/ Protestaktionen im Ausland häufen sich

Dublin (taz) — Nach irischem Recht kann ein Vergewaltiger vor Gericht durchsetzen, daß sein Opfer im Falle der Schwangerschaft das Kind austrägt: Dieser Meinung ist Maeve Fitzgerald, Professorin am University College Galway in Westirland. Sie fordert deshalb ein Referendum, um den Paragraphen, wonach Abtreibungen ausnahmslos verboten sind, aus der Verfassung zu streichen.

Die Debatte in Irland um eine Verfassungsänderung wird immer erbitterter. Der katholische Pfarrer und Radiomoderator Michael Cleary behauptete am Wochenende, der Fall des 14jährigen Vergewaltigungsopfers, dem die Abtreibung und die Ausreise nach Englang gerichtlich untersagt worden ist, sei von Abtreibungsbefürwortern inszeniert worden, um daraus Kapital zu schlagen. Irlands Frauen sind in der Defensive: Sie fordern keineswegs das Recht auf Entscheidungsfreiheit in bezug auf Abtreibung, sondern beraten vor allem über Gesetzesformulierungen, nach denen in Ausnahmefällen ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt sein soll.

Die irische Rocksängerin Sinead O'Connor wurde nicht nur von kirchennahen Organisationen angegriffen, weil sie sich zu zwei Abtreibungen bekannt hatte, sondern auch von Frauengruppen, weil sie die katholische Kirche in Bausch und Bogen verdammt hatte. Das sei taktisch unklug. Das Gerichtsurteil gegen die 14jährige hat auch international Aufsehen erregt. In vielen europäischen Ländern fanden Demonstrationen vor den irischen Botschaften statt. Schwedische Frauenorganisationen und sozialdemokratische Abgeordnete forderten König Karl Gustaf und Königin Silvia auf, ihren für April geplanten Staatsbesuch in Irland abzusagen. Die Tageszeitung 'Aftonbladet‘ druckte auf ihrer Titelseite eine Protesterklärung ab, die die LeserInnen an die irische Botschaft in Stockholm senden sollen.

Spätestens am Freitag und vielleicht schon heute wird mit dem Urteil in der Berufungsverhandlung gegen das 14jährige Mädchen gerechnet, das nach wie vor stark selbstmordgefährdet sein soll. Doch selbst wenn, wie erwartet wird, das Urteil der ersten Instanz aus Gründen der Freizügigkeit aufgehoben werden sollte, ist das Thema damit nicht vom Tisch. Viele Frauen befürchten, daß nach der Ratifizierung des Maastrichter Abkommens, über die im Juni ein Volksentscheid in Irland befinden muß, eine Klage auf Reisefreizügigkeit nicht mehr möglich sein wird, da Irland durch ein Zusatzprotokoll das Abtreibungsverbot garantiert ist. Die Fraktion der „Lebensschützer“ hält das genaue Gegenteil für möglich: Der Europäische Gerichtshof könnte Irland zu einer Liberalisierung des Abtreibungsverbots zwingen. RaSo