Irlands Frauen dürfen reisen

Oberster Gerichtshof Irlands erlaubt 14jährigem Vergewaltigungsopfer Ausreise nach England — und damit unausgesprochen die Abtreibung/ Debatte um Recht auf Abtreibung geht jedoch weiter  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Das 14jährige irische Mädchen, das nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war, darf nach England ausreisen. Das höchste irische Gericht hob gestern nachmittag das Urteil der ersten Instanz auf, die nicht nur ein Abtreibungsverbot ausgesprochen hatte, sondern dem Mädchen und ihren Eltern darüber hinaus für neun Monate die Ausreise untersagte. In Irland sind Schwangerschaftsabbrüche seit 1983 verfassungsrechtlich verboten.

Die Begründung für die Aufhebung des Urteils gegen das Mädchen werden die fünf Richter des „Supreme Court“ in der nächsten Woche nachliefern.

Mit der gestrigen Entscheidung hat die irische Regierung, die in den vergangenen Tagen auch die Oppositionsparteien zu dieser Frage konsultiert hatte, etwas Zeit gewonnen. Vom Tisch ist das Thema damit jedoch keineswegs. Das Gericht hat lediglich in Bezug auf die Reisefreizügigkeit zugunsten des Mädchens entschieden. Um die Entscheidung, ob eine Abtreibung in diesem Fall erlaubt ist, hat es sich gedrückt.

Es ist die typisch irische Lösung, die schon Arbeitsminister Brian Cowan in der vergangenen Woche formulierte: „Das ganze Problem ist doch nur dadurch entstanden, daß die Staatsanwaltschaft Wind von der Sache bekommen hat. Andernfalls hätte niemand etwas von dem Fall gehört.“ So wird das Problem vorerst weiterhin nach England exportiert werden, wo schätzungsweise 10.000 irische Frauen pro Jahr abtreiben lassen. Am Dienstag abend forderten jedoch zwei weibliche Abgeordnete der konservativen Regierungspartei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals), Abtreibung in bestimmten Fällen in Irland zuzulassen. Phyllis Bowman von der erzkonservativen katholischen „Gesellschaft zum Schutz des ungeborenen Kindes“ (SPUC) hält diese Äußerungen für anmaßend: „Diese Entscheidung liegt nicht bei den Parlamentariern, sondern beim irischen Volk.“ Sie sagte gestern, das Urteil sei keine Niederlage für ihre Organisation: „Jeder hat erwartet, daß man das Mädchen nicht an der Reise nach England hindern könnte.“

Bowman wiederholte den Verdacht, daß es sich bei dem Fall der 14jährigen um ein abgekartetes Spiel der Abtreibungsbefürworter gehandelt habe. Sie sagte: „Es ist schon merkwürdig, daß die Eltern das Kind nach der einstweiligen Verfügung von London zurück nach Dublin gebracht haben. Warum haben sie die Abtreibung nicht einfach vornehmen lassen, wenn das Mädchen angeblich selbstmordgefährdet war. Der angebliche Vergewaltiger — und es gibt gewichtige Anzeichen, daß sie gar nicht vergewaltigt wurde — ist von den Medien bereits ohne Prozeß verurteilt worden. Das ist nicht richtig.“