60 Jahre durch dick und dünn

Liz Taylor feiert ihren 60. Geburtstag — ihre Filmkarriere begann im Alter von 10  ■ Von Martin Muser

Sie gilt als die letzte Diva Hollywoods. Berühmt ist sie für ihre veilchenblauen Augen, ihre hochkarätigen Diamanten und ihren wohlgeformten Busen. Sie war einst die bekannteste Schauspielerin der Welt und wurde zweimal mit dem Oscar ausgezeichnet. Durch ihre Ehe-Eskapaden fühlten sich sowohl der Vatikan als auch der amerikanische Kongreß unsittlich berührt. Sie hat einen Diät-Ratgeber geschrieben und engagiert sich nachhaltig für die internationale Aids-Hilfe. Liz Taylor blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Heute wird sie sechzig.

Geboren wurde sie in London, aufgewachsen ist sie in Südkalifornien. Ihr Vater war Kunsthändler, die Mutter selbst Schauspielerin. Im Alter von 10 Jahren hatte Liz ihr Filmdebüt in einer drittklassigen Familienkomödie. Die Studios wurden auf sie aufmerksam, und in den folgenden Jahren bauten MGM und ihre ehrgeizige Mutter sie systematisch zum Kinderstar auf. Als sie für die Hauptrolle in dem Pferdefilm National Velvet (1944) zu klein erschien, verordnete Mama Taylor kurzerhand Streckgymnastik und brachte die Tochter damit auf Maß. Mit 16 absolvierte Liz ihre erste „erotische“ Kußszene: der Rollenwechsel von der frühreifen Klein-Mädchen-Darstellerin zur „attraktiven Frau“.

Die 50er Jahre brachten dann die großen Erfolge. Als Inkarnation der heiratswilligen Tochter aus gutem Hause paralysierte Elizabeth Taylor ganz Amerika mit ihrem Sex-Appeal. Sie spielte mit Montgomery Clift, James Dean, Rock Hudson und Paul Newman. Filme wie Giganten (1956), Die Katze auf dem heißen Blechdach (1958) und Plötzlich letzten Sommer (1959) machten sie zum Superstar und Kassenmagneten.

1963 wurde der Monumentalschinken Cleopatra nach mehrjähriger Drehzeit fertiggestellt. „Queen Liz“ kassierte für ihre Rolle eine Rekordgage, beeindruckte ferner durch ägyptisierende Dékolletés und wäre beinahe an einer Lungenentzündung gestorben, die sie sich während der Dreharbeiten geholt hatte.

Die Taylor hatte den Zenit ihrer Karriere erreicht. Fortan wurden ihre Rollen kleiner und ihr Gewicht größer: Vor den Augen einer geifernden Öffentlichkeit verwandelte sich das einstige Sexidol in eine tonnige Matrone. Und was bei Männern wie Orson Welles oder Peter Ustinov als Zeichen von Charakter gilt, wurde für Liz Taylor zum Stigma: Die Kritiker ergossen sich in Spott und Häme über jedes neue Pfund, das sie an ihr sichteten. Aber „Big Liz“ kapitulierte nicht: Trotzig zwängte sie sich in die knalligsten Glamour- Fummel und panzerte ihr Gesicht mit zentimeterdick aufgelegtem Make-up. Als sie sich zwischenzeitlich wieder einmal auf Normalmaß gehungert hatte, antwortete sie auf die Frage eines Reporters, wie sie ihr Gewicht halte, lapidar: „Ich kotze viel.“

Tatsächlich macht der brave Liebreiz, den die junge Liz Taylor pflegte, allenfalls die Hälfte ihrer Persönlichkeit aus. Die schauspielerisch großartigsten Momente hatte sie als vulgäre und rüde Furie. Aufgeschwemmt, das Gesicht gedunsen und die Haare strähnig, erschien sie als Martha in Wer hat Angst vor Virginia Woolf (1966). Zusammen mit ihrem Film- und zweimaligen Lebenspartner Richard Burton machte sie Albees Psychodrama zu einer bitterbösen Horrorschau einer zerrütteten Ehe. Die beiden bekriegten sich mit derart fanatischer Inbrunst, daß dagegen noch die wüstesten Gerüchte über ihre Beziehung blaß erscheinen. In der Tat verdankt die Filmgeschichte dem Schauspielertandem Taylor-Burton einige der eindrucksvollsten Interpretationen dessen, was man gemeinhin als den Kampf der Geschlechter bezeichnet. Darunter auch Spiegelbild im goldnen Auge (1967) und natürlich Der Widerspenstigen Zähmung (1967).

Doch was den Männern im Film gelang, sollten sie im Leben nicht schaffen: Liz Taylor ließ sich nicht „zähmen“. Zwar wünschte sie sich— ihren eigenen Worten nach — nichts sehnlicher als ein trautes Heim und Eheglück, doch hielt sie es dort nie allzu lange aus. Sie ging im wahrsten Sinne des Wortes durch dick und dünn. Sie schluckte Tabletten und Alkohol. Sie heiratete und ließ sich scheiden. Doch anders als Marylin Monroe oder Judy Garland ist Liz Taylor weder an ihren privaten Krisen noch am öffentlichen Starkult zerbrochen.

Elizabeth Taylor lebt. Sie ist mehrfache Mutter und Großmutter und telefoniert angeblich regelmäßig mit ihrem Nachbarn Michael Jackson, der auch am Schicksal des Kinderstarruhms zu knabbern hat. Vor kurzem hat sie zum achten Mal geheiratet, und heute feiert sie dem Vernehmen nach eine rauschende Geburtstagsparty in Disney-Land. Happy Birthday, Liz Taylor!

PS. Beklagenswerterweise können wir an dieser Stelle nur zwei Taylor-Würdigungen im TV annoncieren: Sat.1 zeigt heute abend John Hustons „Spiegelbild im goldnen Auge“ (23.00 Uhr), „Der Widerspenstigen Zähmung“ läuft bei Pro 7 im Vormittagsprogramm (10.40 Uhr).