"Amüsement, Amüsement"

■ betr.: "Stamokap - ja bitte!", taz vom 20.2.92

betr.: „Stamokap — ja bitte!“, Kommentar von Donata Riedel, taz vom 20.2.92

Donata Riedel als Predigerin des Raubkapitalismus sollte wenigstens so viel Anstand besitzen, ihren missionarischen Marktwirtschaftsmist nicht im Namen der „kleinen Leute“ zu verkaufen. In der SPD noch irgendwelche antikapitalistischen „Ideologen“ auszumachen, grenzt schon an gefährliche Wahrnehmungsverzerrung. Als Zugabe serviert die Kommentatorin noch ihren brav auswendig gelernten, militärisch angehauchten Unternehmerjargon (Märkte erobern, Wirtschaftsführer) — Amüsement, Amüsement.

Der Staat in unserer real existierenden Demokratie funktioniert nun mal nicht anders, als daß er die Wunden leckt, die durch das Wirkungsprinzip des „freien“ Marktes verursacht werden, und zwar nicht nur in Form von gigantischen Subventionen (EG-)Agrarmarkt und so weiter, sondern — Marx sei Undank? — auch durch Finanzierung der Unterstützungsleistungen für die Masse der von unserer Gesellschaft Ausgekotzten. Kurzum: Es gehört sehr viel Naivität dazu, einen Zusammenhang von staatlicher und privater Wirtschaftspolitik zu leugnen.

Frau Riedel wäre zu empfehlen, mal in anderen Kreisen, wie Arbeitsloseninitiativen, zu recherchieren, diverse Artikel der Verfassung zu lesen (1, 14, 15, 20), um sich nicht völlig im Studium von Börsen- und Profitbilanzen zu verlieren. Der Begriff „Marktwirtschaft“ findet sich übrigens nirgends im Grundgesetz, auch nicht mit den Wörtchen „frei“ oder „sozial“ verbrämt. Dagegen bezeichne ich es als marktwirtschaftliche Pornographie, wenn Unternehmensberater/innen im Anschlußgebiet Ost sich die Taschen füllen (2.000 DM brutto/pro Tag im Durchschnitt), während ein immer größer werdender Bevölkerungsteil zu Sozialhilfeempfängern degradiert wird und am Rande des Existenzminimums lebt. Wo bleiben eigentlich die taz-Kommentare zu diesem schreienden Unrecht? Horst Hembera, Mannheim