Keine Jahresfeier im befreiten Kuwait

■ Ein Jahr nach dem Ende der irakischen Besatzung streitet das Land um vermißte Kriegsgefangene

Kairo (wps/taz) — Keine große offizielle Feier, sondern eher Zurückhaltung prägt in Kuwait den Jahrestag der Befreiung von irakischer Besatzung. Und während die kuwaitische Opposition noch immer auf die Demokratisierung des Scheichtums wartet, setzt die regierende Sabah- Dynastie auf das Thema der Kriegsgefangenen im Irak, um die Bevölkerung um sich zu scharen. Ein Schweigemarsch von 4.000 Personen, angeführt von Kronprinz Saad Abdullah Sabah, erinnerte am Dienstag daran, daß nach kuwaitischen Angaben 1.053 Kuwaitis noch immer in irakischer Gefangenschaft sind. Mit US- amerikanischer Symbolik — gelbe Banner als Trauersymbol — marschierten Mütter und Töchter durch die Straßen Kuwaits.

Doch kann das Thema für die Regierung auch heikel werden. Wenn es noch vermißte Kuwaitis gibt, „erinnert dies die Menschen daran, daß noch nicht alles vorbei ist“, sagt Ghanim Najjar, Vorsitzender der privaten „Kuwaitischen Assoziation für die Verteidigung von Kriegsopfern“. „Alle anderen Themen werden als Vergangenheit abgehandelt. Aber dieses betrifft die Gegenwart.“ Und Bader Omar, Vorsitzender des amtlichen Komitees für vermißte Kriegsgefangene, gibt zu, daß dies ein politisches Problem für Kuwaits Regierung ist. „Das haben die Irakis wohl beabsichtigt“, sagt er. „Sie wollen die Kuwaitis daran hindern, ihre Befreiung zu genießen.“ Er zählt etwas weniger als die 1.053, die Najjar nennt, und fürchtet, einige der Vermißten könnten sich unter namenlos begrabenen Kriegsopfern befinden.

Wer als Kriegsgefangener gilt, ist im Irak, aber auch in Kuwait eine strittige Definitionsfrage. „Ich versichere, daß wir nicht einen einzigen Kriegsgefangenen aus Kuwait haben“, sagte Saddam Hussein vor kurzem einer türkischen Zeitung. „Was sollen wir denn damit?“ Doch Familien prominenter Widerständler in Kuwait haben angeblich Beweise, daß verschleppte Verwandte noch im Irak leben. Sie zahlen sogar hohe Summen an Reisende aus dem Irak für Informationen. „Wir nennen es den schwarzen Markt für Kriegsgefangene“, sagt Najjar.

Kritik wird an der kuwaitischen Regierung geübt, die außer wiederholten Bitten um die Rückgabe der Vermißten keinerlei Maßnahmen ergriffen hat. Ein freigelassener Kriegsgefangener meint, die Regierung habe daher kein Recht, aus diesem Grund die Jahrestagsfeiern zur Befreiung abzusagen. „Als die Regierung aus dem Exil zurückkehrte“, sagt Oberstleutnant Mohammed Mubarak, „hatten sie keine Ahnung, was die Zivilisten durchgemacht hatten. Keine Anerkennung für die, die zurückblieben und kämpften.“

Und nach einigen Angaben befinden sich weitaus mehr als 1.000 gefangene kuwaitische Soldaten im Irak. Die kuwaitische Regierung erkennt danach viele von ihnen nicht als Kuwaitis und daher nicht als rückkehrwürdig an, weil sie zu den „Bidun“ gehören — Bewohner Kuwaits, die nie die kuwaitische Staatsangehörigkeit erhielten und jetzt als Ausländer gelten. Als der somalische Diplomat Abdullah Adam letzten Oktober im Auftrag der Arabischen Liga die Freilassung kuwaitischer Kriegsgefangener im Irak verhandelte, erhielt er eine Liste von 1.500 „Bidun“, die ausreisen dürften. Kuwaits Regierung verweigerte ihnen die Einreise.

Außerdem hält nicht nur der Irak noch Gefangene aus dem Golfkrieg fest. Die irakische Regierung verlangt noch immer die Rückkehr von 2.217 irakischen Kriegsgefangenen aus Kuwait. Doch ob diese zurückkehren wollen, ist fraglich: 12.000 ehemalige irakische Soldaten, aus kuwaitischer Gefangenschaft entlassen, leben bereits als Flüchtlinge in Saudi-Arabien.

Kuwait (afp) — Trotz der immer noch fehlenden Demokratie im Emirat soll in acht Monaten ein neues Parlament gewählt werden. Der Generalsekretär des oppositionellen „Demokratischen Forums“, Abdallah el-Nibari, befürchtet deshalb Wahlmanipulationen der kuwaitischen Führung. Er rechnet mit der „Einschleusung“ regierungsfreundlicher Elemente, um das neue Parlament „zu schwächen“. 25 der kuwaitischen Wahlbezirke werden vom Innenministerium kontrolliert.