Australiens Premier beleidigt Her Majesty

■ Premierminister Keating faßt die Queen um die Hüfte und verlangt auch noch die Unabhängigkeit

Dublin (taz) — Königliche Visiten in den Kolonien sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Elisabeth II. von Großbritannien geriet bei ihrem Australien-Besuch in dieser Woche mitten in einen innenpolitischen Parteienstreit. Premierminister Paul Keating von der Labour Party ließ vor 600 geladenen Gästen im Parlament, das die Königin 1988 eigenhändig eröffnet hatte, die üblichen Höflichkeitsfloskeln beiseite und erklärte der Monarchin unverblümt, daß Australien nach Unabhängigkeit strebe: „So wie Großbritannien seine Zukunft in der Europäischen Gemeinschaft gesichert hat, suchen wir jetzt energisch Partnerschaften mit Ländern in unserer eigenen Region.“

Oppositionsführer John Hewson, dem Keating entgegen normalen Gepflogenheiten kein Rederecht gewährt hatte, war entsetzt: „Ich komme aus ähnlichen Verhältnissen wie Keating. Uns wurde ein bißchen Respekt beigebracht, und ich finde, bei dieser Gelegenheit hätte er das auch ruhig zeigen können, statt ein politisches Statement abzugeben.“ Keating nannte seinen Widersacher daraufhin „Verräter der eigenen Klasse“. Beide stammen aus der Arbeiterklasse. Hintergrund der Auseinandersetzungen sind die australischen Parlamentswahlen im nächsten Jahr. Den Wahlkampf, der bereits begonnen hat, wurde von den Parteiführern als „Schlacht bis zum Tod“ bezeichnet. Wenn es nach der britischen Boulevardpresse geht, ist Keating freilich schon erledigt. Er beging beim königlichen Staatsbesuch den unverzeihlichen Fehler, die Unberührbare zu berühren: Als Elisabeth von Podium stieg, legte Keating plump seinen Arm um ihre Hüfte. So viel Despektierlichkeit brachte wiederum die gesamte britische Medienlandschaft in Rage. Getrieben von monarchistischer Loyalität bezeichneten britische Leitartikler den australischen Staatschef als „nutzlosen Parvenü“ und erinnerten die Commonwealth-Nation auf dem fünften Kontinent an etwas, woran diese gar nicht gern erinnert wird: daß nämlich die weiße Bevölkerung von zwangsexilierten englischen Sträflingen abstammt. Ralf Sotscheck