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MIT WARMEN WORTEN AUF DU UND DUMarkt als Allheilmittel?

■ Unctad wird zum Palavergremium zurechtgestutzt

Berlin/Cartagena (taz) — Mit der Forderung, die Interessen der Entwicklungsländer im Welthandel künftig besser zu berücksichtigen, ging gestern die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) zu Ende. Die Vertreter aus 130 Staaten einigten sich auf ein Schlußdokument, in dem die reichen Industriestaaten zur Aufstockung ihrer finanziellen und technischen Hilfen verfplichtet werden. Im Gegenzug sollen die Entwicklungsländer ihre Märkte öffnen und weitreichende Wirtschafts- und Strukturreformen durchführen.

Hatte in der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena noch ein versöhnlicher Ton zwischen armen und reichen Staaten geherrscht, waren die Gemeinsamkeiten nach dem Abschluß schnell verflogen. Die EG-Staaten kritisierten die Beschlüsse, da sie keinerlei Hinweise auf eine Verbindung der Hilfen mit Demokratisierungsprozessen und der Einhaltung der Menschenrechte enthalten. Die USA lehnten den Unctad-Vorschlag einer internationalen Schuldenkonferenz ab. Lapidare Begründung: Die Unctad habe dafür keinerlei Befugnisse; dafür seien die internationalen Finanzorganisationen zuständig. Die vor allem von den Industriestaaten propagierten Allheilmittel Handelsliberalisierung und Marktwirtschaft, kommentierten dagegen die Entwicklungsorganisationen, seien allein kein Mittel im Kampf gegen die zunehmende Armut.

In der Tat hilft das Unctad-Ergebnis den armen Ländern herzlich wenig. Lediglich die Grundsätze, daß alle Staaten einen angemessenen Beitrag für eine neue entwicklungspolitische Partnerschaft zu leisten haben, dürften unstrittig sein. Aber schon die faktische Anerkennung marktwirtschaftlicher Überlegenheit und des auf Wachstum und Modernisierung orientierten Entwicklungsmodells durch viele Entwicklungsländer ist wohl eher ein Zugeständnis in der Not. Insgeheim pochen die armen Länder weiterhin auf garantierte Handelsanteile und gerechte Rohstoffpreise. Der Vorschlag von afrikanischen und asiatischen Staaten, zumindest einen Ausgleich für die fallenden Rostoffpreise zu gewähren, wurde von den Industrieländern mit Untertützung aus Lateinamerika rundweg abgelehnt.

Auch mit der Begrenzung der Unctad-Aufgaben auf entwicklungspolitische Probleme setzten sich die reichen Länder durch. Dem einst wichtigen Forum für den Nord-Süd-Dialog, das bereits in der Vergangenheit immer mehr Zuständigkeiten an die G-7-Staaten, Weltbank und Gatt-Runde verlor, steht zudem eine einschneidende Organisationsreform bevor: Die vor 30 Jahren aufgebauten Unctad-Strukturen werden auf ein Forum des Meinungsaustauschs zurückgestutzt — von dem Vorbild OECD bleibt da nicht mehr viel übrig. Erwin Single

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