Gute Geschäfte trotz Apartheid

40 Jahre lang war die offizielle Liste deutscher Unternehmen am Kap ein wohlgehütetes Geheimnis  ■ Aus Johannesburg W. Germund

Das Thema ist Klaus Schuurmann, dem Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Südafrikanischen Industrie- und Handelskammer in Johannesburg, unangenehm. Doch dann tritt er die Flucht nach vorn an: „Mitgliederverzeichnisse und Publikationen hätten benutzt werden können, um Firmen unter Druck zu setzen oder Unternehmen zu beeinflussen. Um das zu neutralisieren, haben wir unser Verzeichnis nicht veröffentlicht.“ Aber seit Südafrikas Staatspräsident Frederik W. De Klerk den Schatten des eigenen Burentums überwunden hat, pfeift auch bei der Deutsch-Südafrikanischen Industrie- und Handelskammer der Wind der Veränderung durch die Flure. In diesem Jahr, rechtzeitig zum 40jährigen Jubiläum, soll erstmals wieder ein komplettes Mitgliederverzeichnis für jedermann zugänglich sein. Zusätzlichen Glanz soll der morgigen Feier Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) verleihen, der heute mit 30 Managern im Schlepptau in Südafrika eintrifft.

Vor einigen Jahren hatte die Mitgliederversammlung das Verzeichnis in eines der bestgehüteten Geheimnisse der Kammer verwandelt. Die Industrie- und Handelskammer entschied auf Anfrage, wer welche Namen erfahren durfte. Ein Chemie- Unternehmer etwa hatte Chancen, die Anschriften von Kontakten in der Branche zu erhalten. Aber selbst ein Vertreter der Bonner Botschaft klagte unlängst: „Nicht einmal ich habe eine komplette Liste.“

Deutschland gehört zu den drei wichtigsten Handelspartnern Südafrikas, eine ökonomische Rolle, die Bonn nach London und Washington in der Rangfolge diplomatischer Bedeutung den dritten Rang sichert. Etwa 320 Unternehmen — mit einer deutschen Beteiligung von mindestens 20 Prozent — machen gegenwärtig Geschäfte am Kap. Und während die meisten US-Firmen Mitte der 80er Jahre ihre Betriebe an südafrikansche Unternehmer verscherbelten, machten deutsche Unternehmen in all den Apartheid-Jahren einfach weiter (siehe Interview).

Dazu gehören Betriebe wie der Heilbronner Werkzeugmacher Läpple, der Leverkusener Chemi- Gigant Bayer, Lastwagenbauer Mannesmann und Automobilkonzerne wie BMW und Volkswagen. Daimler-Benz unterhält am Kap nicht nur seine einzige Limousenfertigung außerhalb der deutschen Grenzen, in Lizenz gebaute Mercedes-Motoren versahen in südafrikanischen Armee-Lastwagen treue Dienste bei Invasionen in Nachbarländern und beim Einsatz in den schwarzen Townships.

Immerhin sorgte der sogenannte „Steinkühler-Code“ dafür, daß in den deutschen Außenstellen der metallverarbeitenden Industrie am Kap Regeln eingehalten wurden, an deren Vereinbarungen sich auch die Gewerkschaft IG-Metall beteiligt hatte. Der sich an deutschen Tarifverträgen orientierende Code bewährte sich auch nach Ansicht von Apartheid- Gegnern. Doch der Metall-Standard galt nicht unbedingt in anderen Industriezweigen.

Die Arbeitnehmervertreter der „Chemical Workers Industrial Union“ (CWIU) in Durban sind nicht nur sauer auf „Chrome Chemicals“, eine Tochter der südafrikanischen Bayer AG, sie fühlen sich auch von der IG Chemie enttäuscht. Mohamed Motala, der zuständige Gewerkschaftsfunktionär in Durban: „In Deutschland ist das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Betrieb anders als hier.“ Motala meint, die Mitbestimmung und die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat der Leverkusener Bayer AG ist seine Erklärung für mangelnde Unterstützung in einer Auseinandersetzung mit „Chrome Chemicals“.

Nach Untersuchungen der „Einheit für industrielle Gesundheit“ der Universität von Natal erlitten Arbeiter bei der Produktion von Natriumdichromat in der Fabrik in Durban Gesundheitsschäden im Nasenbereich. Laut Bayer stammen die Fälle alle aus der Zeit vor der Übernahme von „Chrome Chemicals“ im Jahr 1974. Die Gewerkschaft in Südafrika steht auf dem Standpunkt, daß die Produktionstechnologie weit hinter dem Niveau des Mutterwerks in Leverkusen zurückbleibe. Ein Vorwurf, den Manager Andreas Ossko energisch zurückweist: „Wir haben die gleiche Technolgie wie in Leverkusen.“

Das Beispiel zeigt, wie weit die Standpunkte von Arbeitnehmern und deutschen Unternehmern häufig auseinanderklaffen. Auch das Thema Anleihen, bei dem deutsche Geldinsitute in vorderster Reihe mitmischen, sorgt für Ärger. Die Deutsche Bank machte im letzten Jahr den Vorreiter, kürzlich zog die Bayrische Landesbank Girozentrale nach, eine dritte Anleihe wurde in Paris unter Beiligung deutscher Banken aufgelegt und eine vierte ist in Vorbereitung — trotz wütender Proteste der Anti-Apartheid-Bewegung African National Congress.

Der ANC würde sich vorbehalten, hieß es in einer Presseerklärung, solche Anleihen zu überprüfen, sobald er an die Regierung komme. Die weiße Minderheitsregierung versuche auf diese Art, Fakten für die Zukunft zu schaffen. Doch Banker winken ab: „Das nehmen wir nicht ernst. Der ANC kann sich gegenüber den eigenen Reihen noch nicht anders verhalten.“