Benzinkutschen als Ozonkiller Nummer eins

250 Millionen Autos sind fahrende Ozonkiller/ Auto-Klimaanlagen größter FCKW-Verbraucher weltweit/ Der Verbrauch steigt  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Die Ingenieure auf dem Berliner Kongreß zu FCKW- Alternativen sind sich einig. Aus dem Klimakiller FCKW muß schnell ausgestiegen werden, andernfalls sei die Ozonschicht nicht zu retten. Immer mehr Menschen würden an Hautkrebs, grauem Star und Immunschwächen erkranken. Einig waren sie sich auch, daß der Ausstieg weitgehend machbar sei.

Bei all der Ausstiegseuphorie der Industrie ist die haarsträubende Entwicklung in der Autoindustrie fast untergegangen. Während überall sonst weniger FCKW gebraucht wird, hat sich das Auto still und leise zum Ozonkiller Nr.1 entwickelt. Auto-Klimaanlagen sind das einzige Marktsegment, in dem die Nutzung des Ozonkillers FCKW noch zunimmt: vor allem in den USA, aber auch in der Bundesrepublik. Die Chemieindustrie schätzt für die BRD 800 Tonnen Verbrauch im Jahr. In einer Greenpeace-Studie errechneten die Rechercheure der Ökologischen Briefe knapp das Doppelte. Und Franz Nader vom Verband der Chemischen Industrie räumt ein: „Es ist sicher richtig, daß dieser Bereich eher steigende Tendenz hat, während der übrige Kältebereich stagniert.“

Weltweit sind inzwischen 250 Millionen Benzinkutschen mit Klimaanlagen unterwegs. Jedes dieser Autos ist im Schnitt mit einem Kilo des ozonkillenden FCKW F12 befüllt. Das FCKW muß zwei bis dreimal ersetzt werden, um die Klimaanlage für die Lebensdauer des Autos in Gang zu halten. Macht im Jahr reichlich 60.000 Tonnen Ersatzbedarf an ozonkillenden FCKW. Trotz aller Ausstiegsbeteuerungen rechnen Wissenschaftler und Praktiker, die sich mit der Umsetzung des Montrealer Protokolls beschäftigen, noch für 1997 mit 63.000 t Ozonkiller-Bedarf für die Auto-Klimaanlagen.

Völlig blind ist die Auto-Industrie nicht in dieses Desaster gerannt. Fast alle Hersteller haben inzwischen angekündigt, ihre Auto-Klimaanlagen künftig nicht mehr mit dem ozonkillenden FCKW F12 zu befüllen, sondern mit der Ersatzchemikalie Tetrafluorethan R134a. Seit 1987 arbeitet zum Beispiel der schwedische Nobelwagenhersteller Saab an dieser Ersatzlösung. In diesem Jahr sollen von den knapp 70.000 Saabs mit Klimaanlagen 12.000 mit dem neuen Kühlsystem ausgerüstet sein, kündigte Häkan Andersson von Saab in Berlin an. Vorteil von R134a: Es hat keinerlei Einfluß auf die Ozonschicht. Nachteil: Auch R134a verstärkt wie die ozonkillenden FCKW den Treibhauseffekt. Der Klimaeffekt von R134a ist etwa 1.200mal so groß wie der vom Kohlendioxid.

Auch deutsche Nobelfirmen wie Daimler und BMW wollen spätestens Mitte 1993 keine Autos mit FCKW-Klimaanlagen mehr bauen. Die beiden produzieren den Löwenanteil der 700.000 klimatisierten Autos, die jährlich in der Bundesrepublik gefertigt werden. Der drittgrößte Anbieter VW will in diesem Sommer aus den FCKW-Klimaanlagen aussteigen. Aber anders als bei den Schweden, die eine Nachrüstung aller klimatisierten Autos ab Baujahr 1986 anbieten, vernachlässigt man in der deutschen Industrie die eigenen Altlasten. Gerhard Hauschulz von der Mercedes-Benz AG bestätigt: „Es sind keine Nachrüstmaßnahmen für die alten Klimaanlagen geplant.“ Das würde sich einfach nicht rechnen.

Nur bei Neuwagen wird der Hirnschmalz der vielen Ingenieure der deutschen Autoindustrie aktiviert. Sowohl bei BMW als auch bei Daimler arbeiten Techniker an einem Kühlverfahren mit natürlichem Zeolith statt der Treibhauschemikalie R134a. BMW will eine solche Klimaanlage nach Angaben von Robert Höppler bereits im kommenden Herbst vorstellen. Mit etwas Glück könne man zwischen 1996 und 1998 in Fertigung gehen. Die Daimler- Konkurrenz hält das für eine Utopie, und auch der deutsche Kältepapst Professor Horst Kruse von der Uni Hannover glaubt nicht an die schnelle Einführung neuer Technologien. Er selbst stellte in Berlin ein neues Kaltluftsystem für Auto-Klimaanlagen vor, das ohne Treibhauschemikalien auskäme.

Beschleunigt würde die Suche nach Alternativen wohl nur dann, wenn der Treibhauseffekt durch den von der Autoindustrie favorisierten Ersatzstoff R134a zum Thema wird. Schließlich geht das Technikprotokoll zur Montreal-Konferenz davon aus, daß vom Ersatzstoff R134a nach der Jahrtausendwende über 230.000 Tonnen jährlich produziert werden — die Hälfte davon für Auto-Klimaanlagen.