SPD will friedliche Blockaden legalisieren

Bonn (taz) — Die Polizei wird künftig gar nicht erst eingreifen, wenn Demonstranten Kasernentore oder Straßenkreuzungen blockieren. Denn wenn die Motive lauter sind, hat das Strafrecht nichts gegen solche Aktionen. Darauf zielt ein Gesetzentwurf zur Änderung des Nötigungsparagraphen, den die SPD- Bundestagsfraktion gestern vorstellte. Gleichzeitig schlägt die SPD eine Amnestie für bereits verurteilte Sitzblockierer vor, laufende Verfahren sollen eingestellt werden.

Ob die gute Absicht auch verwirklicht wird, hängt nicht nur von Bundestagsmehrheiten ab, die die SPD erst noch gewinnen muß. Um friedliche Blockierer vor Strafe zu schützen, um „der Bedeutung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlung Geltung zu verschaffen“, will die SPD den Nötigungsparagraphen um einen neuen Absatz ergänzen, der sich ausdrücklich auf Blockadeaktionen bezieht. Sie sollen nur noch dann strafbar sein, „wenn die Blockierung oder die Störung zu dem angestrebten Zweck unter Berücksichtigung der Folgen für die Rechte anderer und der Beweggründe des Täters in erheblichen Maße als verwerflich anzusehen sind“. Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Hans de With, verspricht sich davon mehr Rechtsklarheit. Freisprüche, milde Urteile, schwere Strafen — die Gerichte kamen in den zahllosen Nötigungs-Prozessen gegen die Friedensbewegten der frühen achtziger Jahren zu ganz unterschiedlichen Resultaten. Und immer noch sind viele Verfahren offen, im Umfeld des berühmten Blockadeortes Mutlangen über hundert. „Verwerfliche Motive“, wie sie der Nötigungsparagraph unterstellt, konnten aber sogar verurteilende Richter bei Friedensdemonstranten selten finden.

Der dehnbare Nötigungsparagraph lädt zu Interpretationen je nach Gusto des Gerichts geradezu ein. Auch der SPD-Entwurf läßt Spielräume zu. Aber auf die Dauer, hofft Hans de With, wird sich „Rechtssicherheit einpendeln“. Eine Amnestie und das Ende der Prozesse sind längst überfällig. Spät kommt die SPD damit, aber immerhin. Die FDP wird sich kaum dagegen sperren können. Und die CDU? Tissy Bruns