Kopierwut und Aktenflut

Auch am zweiten Verhandlungstag keine Anklageverlesung im coop- Prozeß/ Spekulationen über Geständnisse von drei Angeklagten/ Verteidiger fordern weiter Einstellung des Verfahrens  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Am zweiten Verhandlungstag im coop-Prozeß gegen sieben Ex-Manager wegen Untreue und Bilanzfälschung war gestern vor dem Frankfurter Landgericht der Kopierer der Herr des Verfahrens. Richter Bokelmann ließ den Streit zwischen den 16 Verteidigern und den drei Staatsanwälten eher passiv an sich vorüberziehen. Noch einmal waren die 227 von der Staatsanwaltschaft erst in diesem Monat an das Gericht nachgereichten Aktenordner mit Unterlagen der Wirtschaftsprüfer und der Zeitraum, in welchem diese kopiert und studiert werden können, Gegenstand ausgiebiger Dispute.

Da gab es Hochrechnungen über die Kopierdauer, über die Geschwindigkeit zweier Studenten dabei, über Ort und Zeit. Daß die 400seitige Zusammenfassung der Unterlagen über die Firmenverstrickungen der coop durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Deutsche Warentreuhand nicht, wie die Anwälte hochrechneten, sieben, sondern nur 4,8 Milionen Mark kostete, verriet Staatsanwalt Klune nebenbei. Auch für diese Summe, monierte Rechtsanwalt Gautier, hätte die Anklage eine zumindest „fristgerechte“ Arbeit verlangen können. Wer wann was wo kopiert hat oder hätte kopieren können, wenn er nur gewollt hätte, verstrickte sich zusehends im Gewirr von Rede und Gegenrede — neuer Anlaß zu Beweisanträgen und Zeugenladungen aus dem Kopierzimmer. Übrig blieben am Ende sechs Anträge zur Aussetzung des Verfahrens, sozusagen zu einer Kopier- und Lesepause, und einer, der gleich die Einstellung forderte. Sein Mandant Norbert Lösch, so Rechtsanwalt Dörr, habe keine ausreichende Gelegenheit zum rechtlichen Gehör, also zu Aussagen vor den Ermittlungsbehörden, gehabt. Ansonsten, kündigte Dörr an, verlange er noch mehr Akten, zum Beispiel von den abgetrennten Verfahren gegen Ex-Holding-Chef Hesselbach und den geflüchteten coop-Manager Casper. Diese wolle er nicht nur kopieren, sondern auch „durcharbeiten“! Oberstaatsanwalt Rochus fand, das sei nicht nur „eine Menge Zeug“, sondern auch „eine neue Dimension“, zu der er sich lieber schriftlich äußern wolle. Verteidiger Thomas, zuständig für Michael Werner, bereicherte den Verhandlungstag um eine leichte Uneinigkeit in der Verteidigungslinie: Wenn die Staatsanwaltschaft ihre 227 Ordner zurücknehme, sortiere und verringert vorlege, sei er bereit, auf den Aussetzungsantrag zu verzichten.

Gerüchte darüber, daß drei Angeklagte ausscheren und von der Unschuldsbeteuerung zu einem Geständnis wechseln wollen, hatte es schon im Vorfeld gegeben. Lappas- Verteidiger Wagner kleidete sie in einen säuberlichen Antrag. Er fragte, ob es Gespräche zwischen Anwälten und einem Ersatzrichter gegeben habe, in dem dieser gesagt habe: „Mit drei Angeklagten wird es schnell gehen, und mit den anderen werden wir dann auch fertig werden.“ Vorsitzender Bokelmann versicherte vorerst: „Es gab keine Gespräche der behaupteten Art.“

Dem waren zwei akribische und deshalb ellenlange Anträge vorausgegangen, die die Besetzung des Gerichtes rügten. Das Gericht habe es zu vielen Schöffen, also Laienrichtern, zuleicht gemacht, sich um den Mammutprozeß zu drücken. Rechtsanwalt Hild ließ dabei weder die Schwerhörigkeit eines älteren Herrn noch den Ausfall von Schulstunden bei einem Lehrer gelten. Die Verhandlung wird am 9. März fortgesetzt.