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Ampel-Streit um Drogenambulanz

■ Sondermedizin in der Humboldstraße: SPD will sie, Grüne nicht, FDP gespalten

Der Streit um die Einrichtung einer Drogenambulanz im Hauptgesundheitsamt Horner Straße gärt weiter. Die Stadtbürgerschaft überwies mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen einen Antrag der CDU an die Deputationen für Soziales, Gesund, Bildung und Inneres, auf die Einrichtung einer Ambulanz „zugunsten dezentraler Angebote der medizinischen Grundversorgung von Drogenabhängigen“ zu verzichten. Im Vorfeld der Debatte gestern im Stadtparlament war ein Gegenantrag der SPD-Fraktion, diese Stelle einzurichten, zurückgezogen worden. Der Grund: Die Koalition ist sich in diesem Punkt noch uneinig.

Die Grünen sind gegen die Ambulanz im HGA, weil sie prinzipiell gegen eine Extraversorgung von Abhängigen sind. Sie wollen die medizinische Grundversorgung in das bestehende System ärztlicher Versorgung integrieren: Junkies sollen zu jedem niedergelassenen Arzt gehen können. „Wir müssen davon wegkommen, daß System der Notversorgung zu perfektionieren“, erklärte die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Karoline Linnert. Regionalisierung sei zwar sinnvoll, nicht aber „als Lösung für die Viertelbewohner, sondern als Lösung für die Drogenabhängigen.“

In der FDP gibt es noch keine einheitliche Linie. Axel Adamitz erklärte den Abgeordneten, daß es noch „Aufklärungsbedarf“ unter den Liberalen gebe, darum sie die Überweisung des CDU-Antrages an die Deputationen die derzeit beste Lösung: „Das Thema darf nicht in Polemik zerrieben werden.“ Fraktionschef Heinrich Welke bestätigte: „Wir müssen das nochmal bereden.“

Der große Koalitionspartner, die SPD, ist für die Ambulanz. „Zu glauben, daß jeder Arzt einen Junkie versorgt, ist doch reine Heuchelei“, erklärte Elke Steinhöfel. Die Notambulanz in der Bauernstraße sei mit der Grundversorgung hoffnungslos überlastet, und die Gesundheitsdeputation habe der Einrichtung im HGA bereits zugestimmt. „Natürlich muß man auch in anderen Stadtteilen Angebote machen, aber die Versorgung muß da sein, wo die Junkies sind, und das ist nun mal im Viertel.“

„Die gesundheitlichen Hilfen werden weiterhin primär über niedergelassene Ärzte erbracht.“ So steht es in den Koalitionsvereinbarungen, und die Abgeordnete Karoline Linnert erinnerte sich gestern öffentlich, daß Friedrich van Nispen (FDP) und Henning Scherf (SPD) auf der Klausurtagung des Koalitionsausschußes in Cuxhaven auf die Ambulanz in der HGA verzichtet hätten. Ein weiteres Argument der Grünen gegen die Einrichtung: Der zuständige Beirat Östliche Vorstadt hat sich bereits im Juni 1991 gegen die Ambulanz im Viertel ausgesprochen.

Dagegen stimmte damals Beiratsmitgleid Hella Poppe. Mittlerweile ist sie Mitglied der SPD- Bürgerschaftsfraktion. „Ich stehe heute noch hinter dem Beiratsbeschluß und denke, daß die Frage innerhalb der SPD noch nicht entscheiden ist.“ Poppe will versuchen, ihre Argumente gegen die Ambulanz im HGA im extra eingerichteten SPD-Fraktionsausschuß Drogen durchzusetzen.

Eine Entscheidung für oder gegen eine Drogenambulanz im Viertel wird jetzt wahrscheinlich bis zum Erscheinen eines zweiten Drogenhilfeplanes „im Frühsommer diesen Jahres“ (Sozialsenatorin Sabine Uhl) auf sich warten lassen. Da auch die Notambulanz in der DROBS Bauernstraße seit Anfang Februar umgebaut wird, gibt es derzeit überhaupt keine drogenspezifische Anlaufstelle für eine medizinische Versorgung für Abhängigen. Markus Daschner

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