Majorsfrau tötet ihre Rivalin

■ Spektakulärer Prozeß vor Verdener Militärgericht / Vermindert schuldfähig?

Christine Ann Dryland, Frau eines britischen Majors, soll am 27. Juli 1991 die deutsche Geliebte ihres Mannes, Maria Sparfeldt, mit ihrem Auto regelrecht niedergemangelt haben. Der Prozeß vor einem Militärgericht in der Brunnen-Kaserne in Verden bewegt den britischen Blätterwald mächtig. In Scharen drängten sich die Abgesandten der großen Londoner Zeitungen durch die scharfen militärischen Kontrollen in den Gerichtssaal. Judge Advocat General Shapman kritisierte gestern, am zweiten Verhandlungstag, die sensationslüsterne und zum Teil falsche Berichterstattung. Er warnte die britischen Journalisten vor Konsequenzen und forderte die Mitglieder des Geschworenengerichtesauf, sich von der Presse in ihrem Urteil nicht beeinflussen zu lassen.

Die 42jährige Christine Dryland, die im Prozeß wie versteinert dasitzt, ist geständig. Ihre Verteidigerin, die renommierte britische Kronanwältin Ann Curnow, plädiert auf verminderte Schuldfähigkeit. Gestern wurden dazu ein ziviler (Dr. Paul Barden) und ein Militär-Psychiater (John Coogan) gehört. Beide erklärten, Mrs. Dryland sei zum Zeitpunkt der Tat von Depressionen gezeichnet, und somit vermindert schuldfähig gewesen. Coogan geht davon aus, daß sie eigentlich Selbstmord begehen wollte, als sie mit ihrem Saab in den Mercedes ihres Mannes raste. Erst nach dem Scheitern des Suizid-Versuchs habe sie den Wagen gegen Maria Sparfeldt gesteuert.

Wie aus dem Bericht des Anklagevertreters, Prosecuting Officer Spencer hervorging, hatte Anthony Dryland im Laufe der Ehe bereits vorher ein Verhältnisse mit einer anderen Frau gehabt. Nachdem er mit seiner Frau 1990 nach Soltau gezogen war, lernte er dort in einen deutschen Reitclub Maria Sparfeldt kennen. Als seine Frau wegen der Affaire zu ihrer Familie nach Australien fuhr, versicherte er, den Kontakt zu Maria Sparfedt nur noch platonisch fortzusetzen, vertiefte aber die Beziehung soweit, daß beide eine gemeinsame Wohnung suchten. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland blieb Christine Dryland mißtrauisch.

Der Tag der Tat, der 27. Juli 1991, war der Geburtstag ihres Mannes. Sie hatten mit den beiden Söhnen (16 und 7 Jahre) einen Ausflug gemacht. Abends fuhr Mr. Dryland gegen den Wunsch seiner Frau noch in den Reitstall. Sie folgte ihm und traf ihn mit Maria Sparfeldt an, auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ausritt. Nach einem Wortgefecht steuerte sie ihren Saab wiederholt gegen den Mercedes ihres Mannes, den sie dabei nur knapp verfehlte. Maria Sparfeldt und Dryland versuchten gemeinsam, sie zu stoppen. Dabei fuhr Christine Dryland auf die Geliebte ihres Mannes los, die schwere Verletzungen erlitt und kurz darauf im Krankenhaus starb.

Christine Dryland ist die Tochter eines Offiziers und praktisch in der Armee aufgewachsen. 1967 heiratete sie17jährig den damals 21jährigen Dryland. Für die streng religiöse Frau habe es in ihrem erwachsenen Leben nie einen anderen Mann gegeben, so die Anwältin. Die Angst, von ihm verlassen zu werden, habe sie als existentielle Bedrohung empfunden, was zu schweren Persönlichkeitsstörungen geführt hätte, erklärten auch die Gutachter. Beide empfahlen die Einweisung der Angeklagten in ein Krankenhaus zur psychiatrischen Behandlung.

Im britischen Rechtssystem hat ein Militärgericht einen völlig anderen Status als etwa ein deutsches Krieggsgericht. Die Militärangehörigen samt Familie unterliegen dem britischen Zivilrecht, dem Militärrecht und dem Recht des Landes, in dem sie stationiert sind. Die deutsche Staatsanwaltschaft muß entscheiden, ob sie selbst anklagt, oder das der britischen Militärjustiz überläßt. In schwereren Fällen tritt dann, wie beim Dryland-Prozeß, der General Court-Martial zusammen. Er besteht aus sieben Mitgliedern, von denen bei einer weiblichen Angeklaten mindestens die Hälfte weiblich sein müssen. Der Jury können auch Zivilisten angehören. Vorsitzender ist ein hoher Militär. Dem Laiengericht steht der Judge Advocat General als (ziviler) Vertreter des Justizministeriums zur Seite. Um die Würde des Gerichtes zu betonen, tragen alle Militärs Ausgehuniform mit sämtlichen Orden. Die zivilen JuristInnen schmückt die traditionelle weiße Perücke. Der Prozeß gegen Christine Dryland wird heute fortgesetzt. asp