Anti-Kumpel-Kabarett

■ Anja Moritz mit ihrem Solo »Damenwahl« im Mehringhofheater

Meistens ist Kabarett Kumpanei. Anbiederung, die sich mit Abscheu paart. Männersache. Die Witze sind nicht dumm, dafür aber doof. Anschließend schmeckt die Zunge mehlig, man hat zu laut gelacht.

Bei Anja Moritz ist das anders. Die 29jährige Kabarettistin aus Hamburg legt mit ihrer Damenwahl im Mehringhof-Theater ein Programm hin, das bissig und zahm, entlarvend und ehrlich ist. Anja Moritz, das ist »Fräulein Luzie«, eine drahtige Frau, die sich als Party-Animateurin verdingt. Als erstes zieht sie die hochhackigen Schuhe aus, nicht burschikos, aber doch etwas nervös. Mit dem Merkblock in der Hand beginnt Luzie für die Firma Compartibel ein dämliches Betriebsfest zu organisieren. Ihre Mühen, den Computerfuzzis unter Zuhilfenahme von Kobras, Männern in Tangas und Kerzen das Lachen zu lehren, scheitern jäh an den deutschen Biedermännern und ihrem Anhang. Luzie mimt den gönnerischen Geschäftsführer, der nichts als Schüttelreime und Pseudo-Sprüche draufhat. Ein Macho, abgeschmackt wie eine Zote. Sie schlüpft in die Haut des besoffenen Harry, der sich immer noch auf der Höhe seiner Potenz wähnt. Ohne mit den Wimpern zu klimpern (oder den Hüften zu wackeln) pfeift Luzie auf die Durchschnittsmänner, parodiert ihre Anmache, die neue »frauenfreundliche« Tour.

Damenwahl heißt: »Jetzt sind wir dran.« Denn es »soll immer noch Männer geben, die bei dem Stichwort kopflos die Flucht ergreifen, ihrer ‘Darf-ich-sie-bitten-Phobie‚ frönen und bei einer Zigarette auf der Toilette die Wiederherstellung der Normalität erwarten.« Dabei ist Luzie keine Antifrau, sondern einfach nur couragiert.

Männern — Kabarettisten allemal— muß Anja Moritz ein rotes Tuch sein. Sie schafft es nämlich, im Kabarett auch von sich selbst zu erzählen. Sie redet über ihre »Bekanntinnen«, die mit Anfang Dreißig nichts fragen als: »Na, und? Hast Du schon ein Kind?« »Wie? Kannste nich?« — »Doch?« — »Dann kannste ja gleich Lesbe werden.« Frauen, die »Panikkinder« in die Welt setzen — echt Scheiße, findet Luzie. Und weil sie damit ehrlich ist, kann sie ernst sein, ohne dabei bauchzulanden. Sie spricht einfach von der Lust zu weinen, undankbar und eigenwillig zu können. Und das Wort »Sternschnuppe« bringt sie nach zwei Stunden Theater immer noch ganz unsentimental heraus.

Damenwahl ist Kabarett über eine, die über die Witze der anderen nicht mehr lachen will. Sie hat dabei mehr zu bieten als das Ausschlachten von Werbung und Klatschspalten. Moritz ist mehr an den Inhalten ihrer Episoden, denn an dem Lacher nach jedem Satz interessiert. Das Publikum, Männlein wie Weiblein, frißt ihr aus der Hand. Es geht Fräulein Luzie auf den Leim, verrät sich durch seine Reaktionen. Als Luzie einen Zuschauer anmacht, um sich von ihm ausführen zu lassen, verschränkt der — so cool — das Bein, daß alle sein nervöses Wippen sehen. »Ich lass' mir schon was einfallen«, beteuert er. Dann wird er richtig grob, als sie Konkretes hören will.

Anja Moritz' Themen sind gesellschaftlich, selten politisch. Polit-Satiren, wie Mathias Deutschmann sie schreibt und betreibt, liegen ihr nicht; genausowenig übrigens wie das notorische Gebrabbel aus bürgerlichem Hause, das Elke Heidenreich — mit der sie früher verglichen wurde — oft zum besten gibt.

Vor fünf Jahren ist sie zum ersten Mal allein auf die Bühne gestiegen, mit Perücke und Brille noch, als schrullige Klofrau, die Dora Dentjens hieß und vorgab, 63 Jahre alt zu sein. Mit Damenwahl steht Moritz, die früher Sängerin bei der Hamburger Gruppe »Aprilfrisch« war, ohne den Schutz der Verkleidung dar. »Ich fühle mich jetzt mutiger«, sagt sie nach ihrem ersten Berliner Auftritt, immer noch aufgeregt. Ihre Hände kommen kaum zur Ruhe. Die Kabarettistin spielt für sich, nicht für das Publikum. Und deshalb ist sie einfach gut. Mirjam Schaub

Vorstellungen: 26.2. bis 8.3., um 21 Uhr im Mehringhof-Theater.