Einzigartige Gedenklandschaft

■ »Aktives Museum Faschismus und Widerstand« bemüht sich um Erhalt der unzähligen Gedenktafeln in Ost-Berlin/ Zwei von drei Tafeln sind Kommunisten gewidmet

Mitte. »Vergeßt es nie!« kann man auf ihnen lesen oder: »Die Toten mahnen die Lebenden«. Wer in Ost- Berlin nach Spuren der Vergangenheit forscht, kommt an den rund 160 Gedenktafeln und damit an der Erinnerung an die Verfolgten der NS- Zeit nicht vorbei — jedenfalls noch nicht. Denn seit der Wende verschwinden immer mehr Tafeln von den Häuserwänden oder werden zerstört. Deshalb bemüht sich das »Aktive Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V.« um die Erhaltung und Ersetzung der Tafeln und hat jetzt das erste vollständige Buch über »Gedenktafeln in Ost-Berlin« herausgegeben. Am vergangenen Mittwoch abend stellte Autor Martin Schönfeld die Ergebnisse seiner Recherche im Haus der Demokratie vor.

Die vorrangig in den 50er Jahren angebrachten Gedenktafeln sollten vor allem das Gedächtnis an kommunistische Widerstandskämpfer am Leben halten. Zwei von drei Tafeln sind Kommunisten gewidmet. Die restlichen Tafeln erinnern an parteilose, sozialistische und kirchliche Verfolgte und an Juden beziehungsweise an jüdisches Leben. Allerdings geben die meist bronzenen Tafeln außer Name, Geburts- und Todestag wenig Hinweise auf das Leben der Verfolgten.

Außerdem gebe es noch »Erinnerungstafeln«, so Schröder, die hauptsächlich an Schulen, Straßen oder S-Bahnhöfen angebracht wurden, und den jeweiligen Orten ihren Namen gaben. Diese Namenspatronen hätten häufig Vorbildcharakter und damit eine pädagogische Funktion gehabt. Großes Problem sei, daß die Tafeln unmittelbar mit dem politischen System der DDR, und nicht mit dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten in Verbindung gebracht würden. Als »Altlast« betrachtet, verschwinden sie, häufig nach Renovierungsarbeiten, und niemand wollte bei Nachfrage wissen, wohin. Dabei drohe laut Schröder »eine einzigartige Gedenklandschaft verloren zu gehen«.

Eine der ersten von 24 Tafeln, die der Zerstörung nach der Wende zum Opfer fiel, war an der Unterführung zum Bahnhof Friedrichstraße angebracht. Sie erinnerte an zwei Soldaten, die in den letzten Kriegstagen 1945 ermordet wurden, weil sie sich weigerten, weiterhin am Kampf um Berlin teilzunehmen. Diese Tafel wurde nun bereits zum dritten Mal symbolisch vom Aktiven Museum durch ein Plexiglas-Schild ersetzt.

Die Erhaltung der Tafeln soll vor allem die gedankliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Widerstandes sichern. Doch dies scheitert nach Meinung Schröders häufig bereits an der Präsentation: »Die Tafeln sagen einfach zuwenig über die Widerstandskämpfer aus«. sos

Martin Schönfeld: »Gedenktafeln in Ost-Berlin, Orte der Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus«, Schriftenreihe des Aktiven Museums, Nummer 4.