Nackte Fakten im Offenen Kanal

■ Vorspiel mit Nachspiel: Plattgedrücktes Genital im Sexbeichtstuhl

Berlin.„Tabulose Fragen und erleuchtende Antworten“ versprach der Live-Sexbeichtstuhl im Offenen Kanal. Eingeladen hatten „Andro“, „Devatara“ und „Saman“ vom Antinous-Institut, einem Massage- und Therapiezentrum. „Andro“ macht es sich splitternackt auf dem zweistufigen Plüschpodest bequem. Der dünne geflochtene Zopf auf seinem Rücken baumelt hin und her. Je nach Sitzhaltung tut das auch sein Genital — es baumelt oder wird plattgedrückt. Die nackte „Devatara“ und der ebenso nackte „Saman“ nehmen in meditativer Haltung hinter ihm Platz.

„Andro“ begrüßt die ZuschauerInnen und möchte auf ihre „tabulosen Fragen“ per Telefon „erleuchtende Antworten“ geben. Die Technik kennt kein Tabu und fällt aus. Anrufer kommen nicht durch. „Andro“ nutzt die Zeit und erklärt das „Vereinigungs-Ritual“, das „Devatara“ und „Saman“ vollführen. Das gegenseitige Ertasten der Körperteile dient der besseren Wahrnehmung des Partners auf dem Weg zur Vereinigung. „Nur Reinstecken ist nicht alles“, erklärt „Andro“ erleuchtend. „Devatara“ sitzt schon auf „Samans“ Schoß (laut 'Bild‘ „echter Sex“), als der erste Anrufer durchkommt. Noch ist die Technik nicht ganz enttabuisiert, nur „Andro“ kann die Frage hören. Der Fragesteller wird wie viele andere Anrufer auch zu einem Besuch ins Institut eingeladen.

„Andro“ werden Zettelchen mit den nicht durchstellbaren Fragen zugesteckt. Fragen und Antworten sind an Belanglosigkeit kaum zu übertreffen. Das Adam-und- Eva-Kostüm allein führt noch nicht zum Tabulossein. Auf die Frage „Wie bekomme ich am schnellsten einen hoch?“ weist „Andro“ darauf hin, daß nicht die Schnelligkeit, sondern die „Vereinigung“ das Entscheidende sei. Nach der „deutsch-deutschen Vereinigung“ nun noch die „sexuelle Vereinigung“ auf der Mattscheibe? Das scheint sogar der Programmaufsicht der Anstalt für Kabelkommunikation zuviel des Guten. Ende letzten Jahres flimmerten die Tantriker schon zweimal live über den Bildschirm. Damals befand die Programmaufsicht weder eine Verletzung des Jugendschutzes noch des Werbeverbotes. Nachdem sich Frau Grams von der Programmaufsicht auf Nachfrage der taz die Live-Sendung ansah, bemängelte sie die „massive Eigenwerbung und einzelne Szenen, die am Jugendschutz kratzen“. Es wurden Bilder eingeblendet, auf denen ein Mann mit einem dünnen Stäbchen unter seine Vorhaut fährt und eine Frau ihre Vagina mit einem Spekulum untersucht — Großaufnahme und ausführlich. Für Frau Grams „ist die geöffnete Vagina ein Kriterium für Pornographie“. So wird das „Vorspiel“ der Tantriker im Offenen Kanal ein „Nachspiel“ haben. Barbara Bollwahn