Feuerpause vereinbart in Berg-Karabach

Der vom Iran vermittelte dreitägige Waffenstillstand zwischen Aserbaidschan und Armenien wurde gestern schon gebrochen/ Auch Frankreich bemüht sich um Friedensinitiative  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Spät in der Nacht zum Donnerstag haben sich der Vorsitzende des Obersten Sowjets der auf aserbaidschanischem Territorium gelegenen, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnten Enklave Berg-Karabach, Artur Mkrtschjan, und der aserbaidschanische Staatsminister Eibato Abbasow telefonisch auf eine dreitägige Gefechtspause geeinigt. Die Friedensinitiative geht auf einen Vermittlungsversuch des iranischen Außenministers Welayati zurück, der sich zuerst in Baku aufhielt und gestern abend in Eriwan erwartet wurde. Während des Waffenstillstands soll auch ein Gefangenen- und Geiselaustausch stattfinden. Von der armenischen Seite hieß es, sie hätte Schwierigkeiten, die zahlreichen aserischen Kriegsgefangenen zu ernähren.

Parallel zur iranischen Initiative unternahm auch Frankreich einen Versuch, den kaukasischen Krieg zu beenden. Der französische Plan sieht längerfristig eine Demilitarisierung der gesamten Region vor. Zunächst ist allerdings an die Einrichtung „humanitärer Korridore“ gedacht, um die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten zu sichern und Frauen und Kinder aus dem Kriegsgebiet zu evakuieren. In einem zweiten Schritt soll dann eine ständige Beobachtermission der EG in das Krisengebiet geschickt werden. Die Initiative soll auch der EG vorgelegt werden. Über die Einhaltung des Programms sollen nach Auskunft des französischen Staatssekretärs Bernard Kouchner die EG, die UNO und die KSZE wachen. Einen ähnlichen Vorschlag hatte vor kurzem auch der armenische Präsident Ler Petrosjan unterbreitet.

Trotz der für 9 Uhr Ortszeit vereinbarten Feuerpause sollen gestern vormittag aserische Truppen die Ortschaft Askeran und eine Reihe anderer Dörfer angegriffen haben. Am Vortag hatten in einer Großoffensive armenische Armeeinheiten die Ortschaft Chojali überrannt, die lange als einer der stärksten Bastionen des Gegners galt. Aserbaidschan sprach von 100 Gefallenen und über 250 Verwundeten. Armenien schätzte die Verluste des Gegners wesentlich geringer ein. Eine Sprecherin des armenischen Parlaments kommentierte: „Es ist ein großer Sieg für die Armenier“, während die aserbaidschanische Volksfront die Opfer unter der Zivilbevölkerung beklagte und von der völligen „Einäscherung“ des Ortes sprach. Seit Beginn der Auseinandersetzungen, die sich mit unterschiedlicher Intensität seit vier Jahren hinziehen, sind über 1.000 Menschen ums Leben gekommen.

Im Stillhalteabkommen hat der Vertreter Berg-Karabachs auch die Rückgabe der aus „sowjetischen“ Depots gestohlenen Granatwerfer verlangt. Aserbaidschan versprach, die Angelegenheit noch einmal zu „prüfen“.

Allerdings wurde dagegen sofort Protest der nationalistischen „Volksfront“ Aserbaidschans laut. Für Sonnabend kündigte sie eine Großdemonstration an. Präsident Ajas Mutalibow gerät unterdessen immer weiter in die Schußlinie der Opposition, die lautstark seinen Rücktritt fordert.

Für gestern abend war noch eine außerordentliche Sitzung einer der Kammern des Parlamentes anberaumt, in der sein Rücktritt verlangt werden sollte. Die Opposition verfügt dort über die Hälfte der Sitze. Selbst die Bereitschaft noch herrschender Kreise Bakus, einen Kompromiß für Nagorny-Karabach zu finden, gibt keine Gewähr für ein baldiges Ende des Blutvergießens. Die innenpolitische Kräftekonstellation verschiebt und radikalisiert sich zunehmend.