Urlaub kontra Umwelt

■ Tourismusbranche gräbt sich selbst das Wasser ab

“Mir geht es immer wieder unter die Haut“ — Wolf-Michael Iwand, Umweltbeauftragter des Urlaubsmultis TUI, ist besorgt über den zunehmenden Massentourismus. Seinem Brötchengeber in Hannover geht es dabei blendend: 25 Millionen Mark Netto-Rendite bei fünf Milliarden Mark Konzernumsatz erzielte der Reiseveranstalter 1991, und die Branche wächst weiter. Trotzdem ist Iwand nicht glücklich, denn „es muß etwas geschehen“. Der starke Boom der Tourismus- Industrie mit fünf Billionen Mark Umsatzerwartung für 1992 führt zu starken Belastungen für die Umwelt — und gerade sie ist das Kapital der Verkäufer von Freiheit, Sonne und Abenteuer. Der Erfolg der Branche droht ihr jetzt das Wasser abzugraben.

Die Situation ist paradox: Fast die Hälfte der westdeutschen Urlauber träumt von einer naturbelassenen Umwelt, und viele wählen bewußt einen umweltfreundlichen Ferienort aus. Gleichzeitig ist aber für zwei Drittel der jugendlichen Urlauber Spaß und Unterhaltung im Urlaub wichtiger als eine natürliche Umgebung. Außerdem wollen die meisten Deutschen auf das Auto in den Ferien nicht verzichten. „Umweltfreundlichkeit ist etwas, was man fordert und als Prämisse voraussetzt“, stellte der Hamburger Freizeitforscher Horst Opaschowski bei der Veröffentlichung seiner Urlaubsanalyse erst kürzlich fest. Die meisten Touristen seien nicht bereit, persönliche Einschränkungen hinzunehmen.

Die „Interessengemeinschaft Sanftes Reisen“: „Ökologie hat keinen Bezug zum Reisegewerbe“. Die großen Veranstalter hätten schon deshalb kein Interesse an umweltfreundlichen Projekten, weil sie damit ihre anderen Angebote abwerten würden. Und: Viele der Öko-Anbieter würden die nächsten Jahre nicht überleben, da sie gegen die übermächtige Konkurrenz der etablierten Anbieter kaum eine Chance hätten.

Der Umweltbeauftragte der TUI gibt sich da optimistischer: Schließlich enthielten mehrere Seiten des auf Öko-Papier gedruckten TUI-Katalogs Ratschläge für ökologisches Verhalten am Urlaubsort. Und nach Iwands Meinung ist Wachstum in seiner Branche noch möglich: „Es geht nicht um die Zahl der Touristen, sondern um den Ertrag.“ Damit der Tourist kein schlechtes Gewissen zu haben braucht, müsse er tiefer in die Tasche greifen. Kai Nitschke, dpa