Illegaler Müll auf dem Grenzstreifen

■ Umweltpolizei durchsuchte 12 Firmen/ Mehrere 100 LKW-Ladungen Bauschutt unerlaubt weggekippt

Berlin. Möglicherweise kann die Umweltpolizei demnächst einen der größten Müllskandale aufklären. Ein Unternehmer hatte von Mai vergangenen Jahres bis Februar diesen Jahres mehrere 100 LKW-Ladungen Bauschutt und Sondermüll in den ehemaligen Grenzstreifen kippen lassen. Die Polizei durchsuchte diese Woche die Geschäftsräume des Unternehmers sowie die Büros elf weiterer Firmen. Polizeioberrat Hans- Jörg Richter sagte gegenüber der taz, daß mit Hilfe der beschlagnahmten Unterlagen nachvollzogen werden könnte, wer welchen Müll wo abgeladen habe.

Ein Rudower Bauabfallunternehmen hatte im vergangenen Jahr vom »Rekultivierungskommando« der Nationalen Volksarmee den Auftrag bekommen, den Grenzstreifen mit Bauschutt zu verfüllen. Nachdem die ehemalige DDR-Armee von der Bundeswehr übernommen worden war, habe diese den Auftrag im April vergangenen Jahres sofort zurückgezogen, sagte Richter. Denn nach bundesdeutschen Gesetzen sei das Auffüllen von Erdlöchern mit Bauschutt nicht ohne weiteres erlaubt. Das Rudower Unternehmen habe aber weiterhin andere Firmen ihren Müll wegkippen lassen und weiterhin kassiert. Gegen die elf Firmen werde nicht ermittelt, weil sie davon ausgegangen waren, daß der Rudower Unternehmer auch über den April hinaus eine Erlaubnis für die Bauschuttentsorgung habe. Der Rudower Geschäftsführer muß dagegen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis wegen des Betreibens ungenehmigter Anlagen rechnen.

Gerichtssprecherin Uta Fölster sagte, daß es in Berlin bisher keinen vergleichbaren Fall gebe. Noch nie hätten Firmen in solchem Ausmaß unerlaubt Müll weggekippt. Zur Zeit würden »nur« mehrere Verfahren laufen, weil Müll unerlaubt auf Firmengeländen abgestellt, also zwischengelagert sei. Dies sei besonders im Ostteil der Stadt ein Problem.

Der Müllskandal verdeutlicht aufs neue ein kaum lösbares Problem: In Berlin »verschwinden« jährlich etwa neun Millionen Tonnen Bauschutt. Vor Maueröffnung im November 1989 war es der Baubranche kaum möglich, den Müll unkontrolliert aus Berlin zu schaffen. Umweltstaatssekretär Lutz Wicke (CDU) weiß auch keine einfache Lösung. Gerade bei Sonderabfällen, bei denen die Entsorgung pro Tonne bis zu 4.000 Mark kosten könne, sei die Verlockung für die Abfallunternehmen groß, das Gift unerlaubt zu entsorgen. Angesichts eines riesigen Überwachungs- und Vollzugsdefizites seien die illegalen Praktiken nur sehr schwer zu kontrollieren, meint Wicke. In der Bauverwaltung gibt es Überlegungen, Abrißgenehmigungen für Gebäude nur noch dann zu erteilen, wenn für den anfallenden Bauschutt im vorhinein nachgewiesen wird, auf welcher Deponie er abgelagert wird. diak