WEM GEHÖRT DIE STADT? Von Philippe André

Berlin stehen die Probleme und Schwierigkeiten wahrlich bis zum Hals. Die Stadt ist teuer und platzt aus allen schlecht verheilten Nähten: Die Mieten steigen wie die Hochwasserpegel während einer Gletscherschmelze, wer Wohnraum sucht, ist angeschmiert; und für manche Viertel, vor allem im Ostteil der Stadt, müßte es eigentlich umgehend ein verspätetes Wiederaufbauprogramm geben. Der Gestank ist ebenso penetrant und gleichmäßig wie der Lärm, den der graue Moloch unentwegt ausstößt. An 70 Prozent aller Straßen in der Innenstadt werden tagtäglich unglaubliche Lärmwerte erreicht, bis zu 20fach über den „EG-Grenzwerten“, wie eine Studie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz belegt. In dieser zunehmend bedrohlichen Alltagssituation sind natürlich kluge politische Entscheidungen gefragt. Vor allem auch in Sachen Verkehrsinfarkt. Schließlich werden Abertausende Bürger fortwährend von Streßkrankheiten wie Bluthochdruck, Schlafstörungen, Kopfschmerz, Konzentrationsschwächen und Herzinfarkt real bedroht. Sehen wir also, was der Senat augenblicklich an guten Taten vorbereitet: Lärmfragen werden nicht erörtert, erfährt man sogleich. Die Diskussion konzentriert sich in diesen Tagen eher auf die Frage, wie das denn mit dem Potsdamer Platz nun weitergehen soll. Parkplatzmäßig! Denn die große Berliner Koalition will es sich nicht mit dem Daimler-Konzern verderben, der doch „Signalfunktion für die anderen Investoren besitzt“.

Nun wird aber voraussichtlich im März eine EG-Kommission bekanntgeben, wieviel der Auto-Riese und die japanische Firma Sony für die Super-Schnäppchen „nachzahlen“ müssen, die sie mit dem Erwerb der Grundstücke vom Senat gemacht hatten. Der war in dieser Frage nämlich mehrfach wie ein Trödler beim Räumungsschlußverkauf aufgetreten. Da bietet Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU, der Mann mit der oben erwähnten Studie) der Firma schon mal im Vorfeld an, die ihr zugestandenen 2.500 Parkplätze auf die 5.300 aufzustocken, die sie ursprünglich auch gefordert hatte.

Bei soviel Dreistigkeit mahnt sogar Bonn ein wenig Bescheidenheit an. Höchstselbst habe man sich für das künftige Regierungsviertel schließlich auch auf „nur 1.500 Plätze beschränkt“. Der Appell zeigt Wirkung. Sony fühlt sich nun animiert, im „ruhigen Gespräch“ zu prüfen, ob für sie nicht auch noch schlappe 2.000 Stellplätze drin sind. Sollte sich diese umweltpolitische Mentaldiarrhoe tatsächlich über die Stadt ergießen, müßte nur noch jemand beantworten, wie denn all die Autos durch den täglichen Dauerstau auf den größten Parkplatz der Welt geschleust werden sollen? Beim Gift ist die Sache klar. Das werden die Berliner wohl „wegatmen“ müssen.

Kürzlich sah ich in Gedanken Edzard Reuter, den sympathischen Stuttgarter Daimler-Chef. Er ordnete gerade Akten mit dem Stempel „Aufschwung Daimler Ost“. Doch das Tolle war, er sang eines meiner Lieblingslieder: „Oh Lord, want you buy me, a Mercedes Benz.“