Japan kämpft mit neuen Gesetzen gegen die Yakuza

Tokio (taz) — Mit Werbeplakaten in allen Polizeistationen und Großanzeigen in den Zeitungen rühmt sich die japanische Regierung eines waghalsigen Unternehmens: „Maßnahmen gegen Verbrecherorganisationen“ nennt sich das neue Gesetzeswerk, das am Sonntag, dem 1. März, in Kraft tritt und Nippons allgegenwärtiger Yakuza-Mafia das Handwerk legen soll.

„Wir werden nicht mehr so tun, als sähen wir nichts“, verspricht der Werbeslogan der Regierung. Damit sind nicht nur die Polizisten angesprochen, die in der Vergangenheit oft ein Auge zudrückten. Hand in Hand bildet das Anti-Mafia-Plakat ganz normale Leute ab: einen Gemüseverkäufer, einen Fischhändler, einen Gastwirt und zwei Hausfrauen. Die nämlich haben unter dem Alltagsterror von Nippons Gangsterbanden oft am meisten zu leiden.

Gerade den vielen kleinen Kneipen- und Geschäftsbesitzern passiert es in Japan oft, daß ein freundlicher Herr mit Schlips bei ihnen auftaucht, sich im Namen einer der bislang nicht verbotenen Yakuza-Vereinigungen vorstellt und alsbald eine kleine Spende für die Sicherheit vor Ort verlangt. Wer nicht zahlt, muß, zunächt, mit Drohungen rechnen.

Das neue Gesetz will gerade dieses gewöhnliche Erpressungsgeschäft mit jedermann unterbinden. Zu diesem Zweck führt die japanische Gesetzgebung erstmals den Begriff der „kriminellen Vereinigung“ ein. Der Polizei fällt nun die Aufgabe zu, die öffentlich hinlänglich bekannten Yakuza-Gruppen ab sofort als „kriminelle Vereinigung“ zu designieren. Dann wird den Gruppen das Recht einer Gegenklage vor Gericht eingeräumt. Ist diese abgewiesen, kann die Polizei endlich Verhaftungen vornehmen.

„Japan“, erklärt der juristische Urheber des Gesetzes, Rechtsprofessor Tomoaki Narita von der Universität Yokohama, „galt hinsichtlich der inneren Sicherheitslage immer als exemplarisch. Doch in den letzten Jahren konnte davon keine Rede mehr sein, weil sich das organisierte Verbrechen enorm erweiterte. Auch in Europa und den USA begegnet man solchen Gruppen mit einer Gesetzgebung über kriminelle Vereinigungen. Da diese in Japan bisher fehlte, konnte die Polizei ohne den Nachweis konkreter Gewalttaten nichts unternehmen.“ Mit dem neuen Gesetz allein aber ist es nicht getan. Sogar die Regierung hat das erkannt und verspricht, dezentrale „Anti-Gewalt-Zentren“ für verängstigte Bürger einzurichten. Der zuständige Minister forderte die Polizei zudem auf, bestehende Bürgerinitiativen in Osaka und Kobe zu unterstützen, die sich bereits gegen den Gangsterterror wehren.

Mehrere Buchverlage und sogar einige der betroffenen Yakuza- Gruppen haben derweil Informationsschriften herausgegeben, die Möglichkeiten und Grenzen des neuen Gesetzes erkunden. „Wenn wir unserer Macht nicht per Gewalt Nachdruck verleihen“, beruhigt ein Gangster-Flugblatt seine Kundschaft, „dann können unsere Aktivitäten auch in Zukunft nicht verboten werden.“ Dem widerspricht ein Comic-Band des japanischen Juristenverbandes, der zeigt, mit welchen Tricks ein Anwalt in Zukunft gegen die Yakuza einschreiten kann. Das Verbandsheft verkaufte sich prompt 60.000 mal.

Tatsächlich zeigen sich die Gangster besorgt. Die „Yamaguchi- gumi“, landesweit die größte Yakuza-Organisation mit geschätzten 90.000 Mitgliedern, hat beim japanischen Innenministerium einen Antrag auf Anerkennung einer ihrer Untergruppen als „Antidrogen- Liga“ gestellt. Inzwischen führt sie gruppeninterne Ausbildungslehrgänge zum Umgang mit dem neuen Gesetz durch. Lokalgruppen der Yakuza versuchen sich derweil als herkömmliche Unternehmen zu organisieren, eine Tatsache, welche die Polizei ausdrücklich begrüßt. Wieder andere Banden haben ihre Anerkennung als politische oder religiöse Vereine beantragt. Doch so einfach lassen sich die Massensyndikate mit einem polizeilich geschätzten Jahreseinkommen aus illegalen Geschäften von 16,5 Mrd. DM schließlich nicht verstecken.

„Die Schlüssel zum Erfolg des Gesetzes“, analysierte die Wirtschaftszeitung 'Nihon Keizai‘, „liegen in der Handlungsbereitschaft der Polizei und der Kooperationsbereitschaft der Bürger. Nur wenn beides gewährleistet ist, kann das Gesetz eine starke Waffe gegen das Verbrechen sein.“ Bisher schwiegen die wehrlosen Bürger lieber, nicht zuletzt weil das stillschweigende Abkommen zwischen Polizei und Yakuza immer hieß: Leben und leben lassen. Ob das neue Gesetz wirklich jemanden zum Sterben zwingt, läßt sich zumindest bezweifeln. Georg Blume