Schamir beklagt „Ungerechtigkeit“ der USA

■ Nahostverhandlungen auf Montag vertagt/ Kompromiß im US-israelischen Streit um Kreditgarantien möglich

Washington/Tel Aviv (ap/taz) — Die vierte Runde der Nahostkonferenz hat sich ergebnislos vertagt. Die Delegationen aus Israel, Jordanien, Syrien und dem Libanon sowie die der Palästinenser kündigten an, ihre bilateralen Verhandlungen über regionale Probleme wie Rüstungskontrolle, Flüchtlingsfragen und Wasserversorgung am Montag im Washingtoner Außenministerium fortzusetzen. Bei den Unterredungen der vergangenen beiden Tage sei man kein Stückchen weitergekommen, sagte die Sprecherin der palästinensischen Delegation, Hanan Aschrawi. Auch der syrische Delegationsleiter Muwaffik el Allaf sagte, bei den Gesprächen zwischen der syrischen und der israelischen Abordnung habe es keinen Fortschritt gegeben.

Die arabischen Teilnehmer an der Nahostkonferenz würden deshalb erwägen, die USA und Rußland als Schirmherren der Konferenz um Vermittlung zu bitten. Der israelische Sprecher Jossi Gal lehnte eine solche Vermittlung jedoch ab.

Der israelische Ministerpräsident Jizchak Schamir bezeichnete unterdessen die amerikanische Verknüpfung eines Siedlungsstopps in den besetzten Gebieten mit den von Israel erbetenen Kreditbürgschaften als „große Ungerechtigkeit“. Er sei trotzdem guten Mutes. „Ich verzweifle nicht. Wir brauchen die Kreditgarantien“, erklärte er. Die USA wollen die Gewährung der Bürgschaft für Kredite von zehn Milliarden Dollar davon abhängig machen, daß ab sofort keine jüdischen Siedlungen mehr in den besetzten Gebieten Gazastreifen und Westjordanland gebaut werden. Da die Schamir-Regierung dazu keineswegs bereit ist, hat Israel jetzt kaum Aussichten, die Kreditgarantien noch vor den Knessetwahlen (23.Juni 1992) bewilligt zu bekommen.

Ein möglicher Kompromiß wird derzeit von der Pro-Israel-Lobby in Washington angestrebt: Die Kreditgarantien für Israel werden vom US- Kongreß in das Auslandshilfsgesetz für 1992 hineingeschrieben — der Bush-Regierung wird gleichzeitig offengelassen, ihre tatsächliche Gewährung weiterhin an Bedingungen zu knüpfen. So könnte die erste Tranche der geforderten zehn Milliarden — also zwei Milliarden US-Dollar — noch dieses Jahr erteilt werden, insofern sich Washington und Jerusalem über die konkreten Bedingungen einig werden können.

Nach den israelischen Wahlen im Sommer hätte eine neue israelische Regierung dann eine neue Chance, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und vielleicht sogar bessere Bedingungen zu erzielen — dann ist Wahlkampf in den USA, wobei auf den Einfluß der amerikanischen Juden Rücksicht genommen werden muß.

Ein solches Kompromiß-Arrangement wäre den republikanischen Führern in den USA lieb, weil ihnen der Konflikt mit Israel bei der Wahlkampagne schadet. Vom israelischen Standpunkt auswäre eine solche Kompromißlösung derzeit das geringere Übel, denn sie würde verhindern, daß die Kreditgarantie für 1992 überhaupt nicht im Auslandshilfsgesetz des US-Kongresses erscheint und damit vorerst „verloren“ ist.

Noch weigert sich Schamir jedoch, diesen Kompromißweg einzuschlagen. Im Wahlkampf will er als derjenige Politiker dastehen, der keinerlei Kompromisse gesucht oder vorgeschlagen hat. Amos Wollin