An der Ostseeküste wird besetzt

■ Seit Freitag halten 6.000 Arbeiter drei Betriebe in Wismar und Rostock besetzt/ Sie verlangen eine Paketlösung für ihre von der Pleite bedrohten Firmen/ Streiks angedroht

Rostock (dpa/ap/afp/taz) — Die ostdeutschen Schiffsbauer haben die Nase gestrichen voll. Die Betriebsbesetzungen an Mecklenburg-Vorpommerns Küste haben sich ausgeweitet. Am Freitag schlossen sich nach Gewerkschaftsangaben die etwa 1.000 Beschäftigten des Rostocker Dieselmotorenwerkes den seit Mittwoch laufenden Aktionen der Wismarer und Rostocker Werftarbeiter an. In den frühen Morgenstunden erklärten die Beschäftigten den Schiffsbau-Zulieferbetrieb in Rostock für besetzt.

Mit ihrer Aktion wollen die jetzt insgesamt rund 6.000 beteiligten Arbeitnehmer gegen die Werftenpolitik der Bundesregierung und der Treuhand protestieren. Alle drei Belegschaften fordern zur Erhaltung der Arbeitsplätze im Schiffsbau ein Sanierungskonzept, nach dem ihre Betriebe unter Leitung der Bremer Vulkan AG zu einem Werftenverbund unter Landesbeteiligung zusammengeschlossen werden sollen. Nach Ansicht der IG Metall und der Belegschaften würden mit dieser Lösung und einer entsprechenden Landesbeteiligung mehr Arbeitsplätze gesichert als bei dem vom Wirtschaftsministerium favorisierten Einzelverkauf.

Die Betriebsräte der drei Unternehmen bezeichneten die Besetzung als zunächst „symbolisch“, da die Produktion überall weiterlaufe. Sollte die Landesregierung bis Montag allerdings keine eindeutigen Aussagen zur Zukunftssicherung der Werften machen, müßte mit einer „Steigerung“ der Aktionen bis hin zu Streiks gerechnet werden.

Bundesverkehrsminister Krause eilte in seiner Eigenschaft als mecklenburgischer CDU-Landeschef gestern nach Wismar. Er unterstützte die Forderungen der Arbeiter: keine Einzelprivatisierung der Werften, sondern ein Verbundsystem. Krause lehnte allerdings die Bremer Vulkan AG als Einzelbetreiber ab. Mit seinem Vorschlag fiel der Bonner Politiker der Landesregierung in den Rücken. Brüskiert hat er vor allem den Schweriner Koalitionspartner, FDP-Wirtschaftsminister Lehment, der keinen marktbeherrschenden Koloß will und Einzellösungen weiter verteidigt. Als ein Belegschaftsmitglied den Rücktritt Lehments forderte, sagte Krause dazu: „Das ist eine richtige und wichtige Idee.“

„Ohne eine zügige Privatisierungsentscheidung liegen alle Investitionsvorhaben auf Eis“, beklagte Karsten Behrenwald, der Betriebsratsvorsitzende des Rostocker Dieselmotorenwerks. Europäische Kunden hielten wegen der ungewissen Zukunft des Betriebes bereits mögliche Aufträge zurück.

Die Treuhand signalisierte mittlerweile, sie sehe die Protestaktionen nicht auf sich gerichtet. „Wir haben hier einen relativ engen Schulterschluß auch mit den Betriebsräten“, sagte ein Sprecher. coe

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