Vegesack zeigt Vogel

■ Knast-Werkstatt lieferte Stein-Figur gratis / Projekt ABM-gefährdet

Er sieht interessant aus, und er paßt zu seinem maritimen Stand- Ort am Weserufer: Seit einigen Tagen guckt in der Vegesacker Schulkenstraße ein Vogel aus Granit, Marmor und eisernem Tropfenblech die PassantInnen an. Er ist von einem Gefangenen des Oslebshauser Knastes gemacht worden. „Ich finde es gut, wenn Signale für einen humanen Strafvollzug auch nach außen in die Bevölkerung getragen werden, als etwas Positives, gegen das übliche Negativ-Bild vom Knast und seinen Gefangenen“, sagte Sigrid Koestermann, CDU- Abgrordnete der Bürgerschaft und Mitglied des Oslebs-Anstaltsbeirats, zur taz. Seit 1976 bieten KünstlerInnen und PädagogInnen den Gefangenen in der Knast-Werkstatt Bildhauer- Kurse an, und „viele, die vorher mit Kunst gar nichts zu tun hatten, haben entdeckt, was in ihnen steckt“, hat Sigrid Koestermann beobachtet. Oft sind es Gedanken um Knast und Gefangenschaft, die bildnerisch ausgedrückt werden, zum Beispiel bei dem steinernen Paar vor dem Knast-Eingang: die Frau schreit, der Mann hält sich die Ohren zu. Koestermann: „Oft geht es künstlerisch um den Schrei, als Hilferuf, oder einfach zur Befreiung.“ Andere Skulpturen aus der Bildhauer- Werkstatt sind z. B. als Brunnenfiguren am Osterfeuerberg zu begucken, oder als Fischverkäuferin in Huchting. Der Gefangene, der den Vegesacker Vogel ausgedacht, aus Granit und Marmor gehauen und samtglatt poliert hat, hat inzwischen Arbeit gefunden, macht in seiner Freizeit mit der Bildhauerei weiter und möchte namentlich ungenannt bleiben: eine richtige Bilderbuch-Geschichte.

In Bremen-Nord sind die Knast-Bildhauerei und ihre Produkte inzwischen ein Begriff. Nachdem dem „grauen Esel“ aus Beton immer wieder die langen Ohren abgebrochen wurden, startete Sigrid Koestermann eine Sammelaktion und bekam glatt 11.000 Mark zusammen. Die Knackis stellten die Gußformen her, und eine Berliner Gießerei war bereit, den Esel zum Sonderpreis genau in Spendenhöhe zu gießen. „Das lief damals wunderbar mit der SPD und mit Justizsenator Kröning zusammen“, erinnert sich die CDU-Abgeordnete Koestermann, „angenehm, wenn aus Sachfragen kein Parteigezänk wird.“

Eigentlich wollte sich die Werkstatt in diesem Sommer zu ihrem 15jährigen Bestehen mit einer Wanderausstellung und besonders interessanten Exponaten und Schautafeln auch in anderen Bundesländern präsentieren. Einen Strich durch diese Rechnung drohen nun die ABM-Kürzungen zu machen: Von den ehemals vier ABM-Beschäftigten sind nur noch zwei vorhanden. Die Stelle des Künstlers Hans Kampa aus Fischerhude läuft zum März aus, die Kunst-Pädagogin Gudrun Fischer ist bereits auf ein kleines Honorar gesetzt. Da keine Aussichten auf Festeinstellungen bestehen, ist das bundesweit einmalige Projekt jetzt gefährdet. Weitere Kosten als die fürs Personal fallen kaum an, da Hans-Joachim Manske, Referent in der Kulturbehörde, Marmor- und Sandsteine als Spenden auftreibt und dem Knast zur Verfügung stellt.

Bei der Einweihung des Vogels gab es einen Einwand aus der Bevölkerung: der Vogel hat ja gar keinen Schwanz! Sigrid Koestermann parierte in einer Sprache, die für Kunstbetrachtungen unüblich ist, aber verstanden wurde: „Aber es hat immerhin überhaupt nichts gekostet!“ S.P.

Einen Bildband mit vielen Fotos über die Oslebs-Bildhauerwerkstatt hat der Steintor-Verlag in seiner Reihe Bremer Hefte herausgebracht.