Schalten Sie doch ab!

■ ZDF strahlt einen für Cannes nominierten Werbespot nicht aus

Berlin (taz) — Die meisten deutschen Werbespots sind peinlich, dumm und einfallslos. Wenn junge Hausfrauen auf weiße Riesen treffen oder der Zahnarzt seiner Familie etwas empfiehlt, retten sich Millionen von Zuschauern in den nächsten Kanal. Seit ein paar Wochen läuft auf Pro7 und RTLplus ein Werbefilmchen, in dem das Publikum aufgefordert wird: „Schalten Sie doch ab!“

Trotzdem ist dieser Spot alles andere als langweilig — das ZDF hält ihn für so aufregend, daß er von den Mainzelmännern gar nicht erst ins Programm genommen worden ist.

Das 30 Sekunden lange Werk zeigt einen Mann und eine Frau im Bett. Die beiden Hübschen tun das, was landläufig als schönste Sache der Welt bezeichnet wird. Alle zehn Sekunden wird der Spot unterbrochen, dann ist weiß auf schwarz zu lesen: „Noch 20 Sekunden.“ „Noch zehn Sekunden.“ Und schließlich: „Dieser Film ist zu Ende. Aber Sie beide haben noch den ganzen Abend. — Ein Hinweis von Jade Man.“

Die öffentlich-rechtliche Aufforderung zur Kopulation war beim Werberat des ZDF auf Kritik gestoßen, die Moralwächter witterten zuviel der Erotik. Wolfgang Köhler, Abteilungsleiter beim ZDF, teilt die Bedenken: „Das hat mit Erotik nichts zu tun, das ist Sexualität. Die gehen sich ja an die Wäsche!“ Christa Luding, Dispo-Chefin beim Sender in Mainz, verweist auf einschlägige Bestimmungen: „Die Werbung, die wir bringen, darf nicht anstößig sein!“

Zwei andere Filme, in dem dasselbe Paar — etwas „vorsichtiger“ fotografiert — dieselbe Sache macht, ließ das ZDF dagegen zu. „Wir bekommen schon deshalb laufend Anrufe von Eltern die sagen: Ich kann meine Kinder zwischen 17.45 und 20.00 Uhr kein ZDF mehr gucken lassen!“ Wieviele Menschen im ZDF pro Woche vor 20.00 Uhr erschossen werden, weiß sie nicht genau und räumt ein: „Privat finde ich den Film ziemlich gut!“

Der Hamburger Werbeagentur Springer und Jacoby, die den Film produziert hat, kann der Wirbel um die Spots nur recht sein. Die drei Werke wurden bereits vom deutschen Art Directors Club beim jährlichen Wettbewerb prämiert, im Mai läuft die Reklame für das Männer- Parfum auf dem Festival in Cannes. Bernd Heusinger, Texter des Spots, kann die Aufregung nicht verstehen. Anstößig könne sein Werk schon deshalb nicht sein, weil er in erster Linie Frauen beeindrucken sollte. Wenn Männer stinken, sorgen in Deutschland immer noch ihre Partnerinnen für Abhilfe — Männerparfum wird hauptsächlich von Frauen gekauft. Bei einer Testvorführung vor 50 Damen hätte keine einzige den Film als „pornographisch“ empfunden, berichtet Dieter Conicz, Werbeleiter bei Jade.

Dürfte das ZDF auch nach 20.00 Uhr Werbung senden, „wäre das alles kein Problem!“ glaubt Christa Luding. „Jetzt werden wir immer mit den Privaten verglichen, obwohl wir unter ganz anderen Bedingungen arbeiten.“ Bei RTLplus sind bis jetzt nur zwei Zuschauerbeschwerden eingegangen, obwohl der Tutti- Frutti-Sender den Erotic-Clip rund um die Uhr bringt. Richtig zur Geltung kommt er dort aber erst nach elf Uhr abends. Denn in den Werbeblöcken, die zwischen Filmen wie Jodeln in der Lederhose oder Hausfrauen-Report — Teil 237 eingeblendet werden, hat die Forderung der Werbeleute „Schalten Sie doch ab“ ihre absolute Berechtigung. Claus Christian Malzahn