Bonn bekämpft weiter Tunnelpläne

■ Tunnelstreit: Bund konkretisiert Ablehnung/ Zeitplan für Umzug nicht zu halten/ Bonn schätzt Verkehrsnetzkosten auf 35 Milliarden Mark

Berlin. Seine Ablehnung der vom Senat geplanten Tunnel unter dem Tiergarten untermauert das Bundesverkehrsministerium nun mit konkreten Zahlen. Damit werde der Baubeginn des Regierungsviertels um mindestens fünf Jahre verzögert. Das geht aus einem der taz vorliegenden Papier des Verkehrsministeriums hervor. Noch wesentlich später werde der Baubeginn sein, wenn sich das Planfeststellungsverfahren für diese Tunnel durch Einsprüche von BürgerInnen verzögert.

Der Senat plant — wie berichtet — sechs Tunnelröhren, und zwar je zwei für die Eisenbahn zum Lehrter Bahnhof, für die S- und U-Bahn und für Autos. Die Röhren haben jeweils zwölf Meter Durchmesser und Zwischenräume von zehn bis zwanzig Metern — den Tunnel für den geplanten Transrapid nicht mitgerechnet.

Die Tunnel müßten wegen des Baugrundes und ihrer Größe im Spreebogen in offener Bauweise erstellt werden und vor dem ersten Spatenstich zum Regierungsviertel fertig sein. Von den Flächen im Spreebogen, auf denen das Regierungsviertel geplant ist, seien 45 Prozent von den Tunneltrassen beeinträchtigt, schätzt das Verkehrsministerium. Aufgrund von Sicherheitsanforderungen könnte untertunneltes Gelände nicht mit »sensiblen Bauwerken« — etwa dem Kanzleramt — bebaut werden. Deshalb kämen diese Trassen einem »entwertungsgleichen Eingriff« gleich. Die »Konzentration von Verkehrsfunktionen am Lehrter Bahnhof« erzeuge eine »innerstädtische Zentralität, die kaum beherrschbar ist«, so das Papier.

Wenn Eisenbahn- und Autotunnel weiter westlich unter der Kongreßhalle durch geführt werden, seien nur 35 Prozent der Parlamentsbaufläche beeinträchtigt, jedoch habe die Reichsbahn wegen der »starken Kurvigkeit« der Trasse Bedenken. Bei dem Bau von lediglich vier Tunnelröhren für U-Bahn, S-Bahn und Autos seien noch 10 bis 20 Prozent der Flächen beeinträchtigt.

Bis zum Jahre 2010, so das Papier weiter, sei von einem Investitionsbedarf von 35 Milliarden Mark für die Verkehrsinfrastruktur Berlins auszugehen. Davon entfallen auf die Eisenbahn 16 Milliarden, auf S- und U-Bahn 13 Milliarden, auf den Straßenbau fünf Milliarden und auf Wasserstraßen eine Milliarde Mark. Dieser Investitionsbedarf sei nicht »ursächlich auf die Funktion Berlins als Parlaments- und Regierungssitz zurückzuführen«, so das Bundesverkehrsministerium. Im Klartext: Bonn fühlt sich nicht verpflichtet, die 35 Milliarden Mark zu bezahlen. Eva Schweitzer