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Das Volk murrt

■ Bayern München-1. FC Köln 0:0/ Bayern-Kaiser Beckenbauer erregt Unmut, ebenso die beiden Teams

München (taz) — Ausgestanden ist die fußballerische Misere des FC Bayern noch lange nicht, aber wenigstens ist nicht alles verloren, stöhnten die treuesten Fans. Sensibel wie ein bayerischer Holzknecht verunsicherte Oberheiler und Kaiser Franz Beckenbauer während der zurückliegenden Woche die Mannschaft und allen voran ihren Trainer Sören Lerby. Will er doch den Bremer Coach Otto Rehhagel für die nächste Saison anstellen und Lerby zurück zu seinen Würsten nach Holland schicken. Zum erstenmal revoltierte das Fußballvolk in der Südkurve gegen seinen Kaiser und forderte das Verbleiben von Lerby. Doch bevor sich der Aufruhr gar zu sehr gegen Beckenbauer wenden konnte, verabschiedete der Verein Toni Schumacher aus München, der sich in Lederhosen zum letzten Male rührselig selbst darstellte.

Friede, Freude und Vereinsidylle vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln und hinterher fußballerische Langeweile und Pfiffe wegen des kargen Unterhaltungswertes, geboten von allen 22 Spielern: die Kölner wollten und die Bayern konnten nicht. Beide Mannschaften stolperten sich im Mittelfeld gegenseitig die Bälle zu, ohne damit etwas Produktives anzufangen. Fußballphilosophen nennen dies beschönigend kontrollierte Offensive. Die wenigen Torgelegenheiten resultierten aus Einzelleistungen, die wiederum an einer Hand aufgezählt werden können. Ein Effenbergschuß, den Gielchen abfälschte und Illgner zur Ecke lenkte, und einer von Sternkopf an den Kopf von Wohlfarth, der trotzdem nicht aus seinem Schlaf erwachte. Nach seinem kurzen und heftigen Temperamentsausbruch gegen Bochum träumte der Roland wieder sanft von besseren Zeiten.

Etwas mehr hatten die Kölner entgegenzusetzen. Heldt erspielte sich über einen Doppelpaß mit Ordenewitz freien Zugang zum Bayerntor, täuschte auch Torhüter Aumann, um dann harmlos den Kopf von Jungverteidiger Münch auf der Torlinie zu treffen. Ein Kopfball von Fuchs über das Bayerntor — das war's dann aus der ersten Hälfte. Nach dem Seitenwechsel erinnerte sich Brian Laudrup an sein Können und tanzte oft mehrere Gegenspieler aus. Leider erwiesen sich seine schönen Aktionen als brotlose Kunst.

Ein Höhepunkt war die rote Karte für Bayerntorhüter Aumann in der 70. Minute. Der Kölner Stürmer Fuchs überwand die Abseitsfalle der Münchner und rannte allein auf Aumann zu. Der zögerte beim Herauslaufen, und als er sich letztendlich dazu entschloß, verblieb ihm einzig die Möglichkeit, sich vor die Füße des anstürmenden Fuchs zu werfen, der ob dieser Aktion ins Straucheln kam und stürzte. Hinterher beteuerte Aumann, daß es kein Foul im eigentlichen Sinne gewesen sei, weil er nicht anders gekonnt und Fuchs erklärt habe, Aumann hätte ihn fast nicht berührt. Welch' Solidarität unter Arbeitskollegen.

Mit einem Spieler mehr zeigten sich die Kölner verwirrter als die nun auf reine Torsicherung bedachten Münchner. Durch Fehlleistungen der Gegenspieler verursacht, erarbeiteten sie sich noch zwei halbwegs erwähnenswerte Chancen. Littbarski versuchte sich zwar lautstark für höhere Aufgaben zu empfehlen, aber mehr als über den weiten Raum des Grüns zu sicheln vollbrachte er auch nicht. Die letzte Gelegenheit besaßen die Münchner, natürlich resultierend aus einer Einzelleistung von Laudrup. Er beschäftigte drei Kölner in deren Strafraum und paßte quer zu Wouters, der — dem Fußballgott sei es gedankt — den Außenpfosten traf.

Schiedsrichter Berg hatte daraufhin ein Einsehen und pfiff die Partie ab. Lerby versprach Frau Schumacher, daß er ihren Toni nicht zurück ins Bayerntor beordern, sondern auf Hillringhaus zurückgreifen werde, falls die DFB-Richter Aumann für längere Zeit sperren. Und zufrieden waren die Verantwortlichen beider Seiten, denn verloren hatte keiner, außer einige Zuschauer die Lust am Betrachten weiterer solcher Spiele. Werner Steigemann

1. FC Köln: Illgner - Götz - Giske, Greiner - Baumann, Trulsen (77. Higl), Littbarski, Heldt (89. Flick), Andersen - Henri Fuchs, Ordenewitz

Zuschauer: 32.000

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