»Du riechst es förmlich...«

■ Die Heavy-Metal-Band Love/Hate über Lieder, Leben und L.A.

Heavy Metal boomt. Ständig neue Bands, neue Namen, neue Stile. In den USA hört man angeblich nur noch Heavy Metal und Country im Radio. Selbst Hausfrauen haben den Mainstream dafür drangegeben. Ist Metal die neue Klangfarbe im verblassenden amerikanischen Traum? Oder die letzte Verkörperung von Leistungsethos und Arbeit? Werden Drogen gesellschaftsfähig? Mit Love/Hate aus Los Angeles, der Vorgruppe des Veteranen Ozzy Osbourne, sprach Harald Fricke.

taz: Ihr habt gerade eine LP aufgenommen, die viel von konventionellem Rock 'n' Roll hat. Wird Heavy Metal am Ende gesellschaftsfähig?

Love/Hate: Wir wollen ohne alle Trends einfach nur bessere Songs schreiben. Dazu benutzt man nun einmal traditionelle Herangehensweisen: mehr Melodie, Gesang und kein Geschrei, mit einem Wort: Dynamik zählt. Wir wollten nicht nur Aufmerksamkeit erlangen, das war entscheidend. Die Schönheit liegt in der Disziplin, so wie AC/DC geradlinigen simplen Rock 'n' Roll spielen, und nicht wirr auf der Bühne herumzuspringen und sich in irgendwelchen Posen zu gefallen.

Woher kommt diese Erkenntnis?

Ich habe etwas gesucht, eine Art Dichte. Dabei hat die Band schon viele Trends mitgemacht: Punk um 81, die Chili Peppers, also Funk im Punk, dann neue Technologie, Sampling. Genauso sind wir auf kunstmäßig Psychedelisches gekommen, oder auf Guns'n'Roses, den dicken Rock der Siebziger, Aerosmith.

Wenn du jung bist, weißt du doch sowieso nicht, wer du bist und was du willst. Du versuchst also, motiviert zu sein, offen im Kopf. Nur nicht das Schicksal entscheiden zu lassen: »Mein Vater war im Bergwerk, deshalb gehe ich auch ins Bergwerk.« Fuck, ich hasse Bergbau. Du wächst heran, um immer mehr von dir zu entdecken, ein langsamer Prozeß, der mich meinen Platz im Rock hat finden lassen.

Auch deinen Platz in L.A.?

Ja, ich liebe L.A., die Grenzsituation in einem ununterbrochenen Kampf: Gleichzeitig Underdog und Mitstreiter im Kampf um Leben und Tod. Das erst gibt dir das Gefühl, am Leben zu sein. Einige Leute fühlen sich dabei natürlich unwohl, denen geht der Spaß verloren, wenn sie ernsthaft ums Überleben kämpfen müssen. Trotzdem lockt es Bands von überall her an. Sie wollen bestehen. Der Vergleich mit anderen Gruppen funktioniert aber nur »live«. Da geht es dann nicht mehr um Können, sondern um »mental energy«. Wenn du im Kopf nicht müde bist, bezwingst du deinen Körper, selbst wenn du noch so k.o. bist. Adrenalin, das brauche ich, nicht bloß Songs sauber herunterspielen. Ich will da jeden Abend herausgehen, vollgepumpt mit Adrenalin und eine abgedrehte Wahnsinnsshow hinlegen. Nicht bloß so tun als ob. Es ist diese unsichtbare Energie, die eine gute Band von einer lauten unterscheidet. Du riechst es ja auch förmlich, wenn eine Band Heavy Metal als Fake produziert, weil sie nur ans große Geld will.

Dann ist es für euch doch sicher ein großer Erfolg, mit einem Mann wie Ozzy Osbourne auf Tour zu gehen?

Es ist eine Ehre. Wenn du zusammen mit einer Legende spielst, bekommst du ein Gefühl für deine eigene Gültigkeit, eine größere Sicherheit, was das Selbstverständnis angeht. Ich meine, wir wollen uns auf keinen Fall mit Ozzy auf dieselbe Stufe stellen. Wir sind am Anfang. Überhaupt ist es ein Privileg, als Band Menschen zu erreichen und sie für sich zu gewinnen. Das darf man nicht als selbstverständlich hinnehmen. Es gibt kein Recht auf Rock 'n' Roll. Mann, das Recht hast du vielleicht zu Hause in deiner Garage oder im Schlafzimmer, aber die wirkliche Welt des Heavy Metal ist eine Ausnahme, die du verehren und genießen kannst, nur nicht erwarten. Du mußt dir alles immer wieder neu erkämpfen, es gibt keine Planung für ein zukünftiges »Werk«. Das ist allerhöchstens die Selbstzufriedenheit derer, über denen die Aasgeier kreisen.

Sieh dir Ozzy an. Er ist ein Phänomen in diesem Geschäft. Rock 'n' Roll ist doch eine ständige Gefahr. Er kann dich umbringen. Alkohol, Drogen, je nach Neigung, und das wollen ja eine ganze Menge Leute, die ins Rockleben einsteigen. Es fasziniert dagegen, Männer wie Keith Richard oder Ozzy zu sehen. Sie sind einmalige Symbole. Menschen, die soviel Mißbrauch an sich selbst getrieben haben, daß ein Normalsterblicher daran schon dreimal gestorben wäre.

Ein Mythos, der dem Mythos Los Angeles durchaus vergleichbar ist?

Es ist einfach die Metropole der Rockmusik, weil dort unzählige Clubs existieren. Sieben Nächte, 100 Bands pro Nacht. Alle wollen eben dabei sein. Gut, es gibt auch Tausende von Scheißbands, aber die müssen eben dafür zahlen, für Auftritte, Platten und Fans. Ich mag diese Szene, in der du dich emporarbeiten kannst. Das ist immer dasselbe gewesen. Du gehst hinaus, siehst eine Band, und sie gefällt dir. Dann gehst du wieder nach Hause und machst es beim nächsten Mal selber, und besser. Mittlerweile stehen 17jährige neben uns auf dem Programm, die so flink Gitarre spielen können, daß du deinen Augen nicht traust. Dafür haben sie noch keine Geschichte. Wir wissen, wie man rock'n'rollt. Sie wissen es vielleicht in ein bis zwei Jahren. Dann gibt es eine neue Szene. L.A. stirbt nicht, hier ist die Substanz des Rock. Naja, ich finde bei alledem, daß der alte Rock besser war. Da haben Leute Neuland entdeckt, heute sucht jeder nur noch eine Nische für sich. Statt Stars herrschen Kategorien, die Zeit der Individuen ist wohl vorbei. Ich wuchs noch mit Klassikern auf: Beatles, Stones, Hendrix, den Doors. Wir halten uns im Proberaum oft mit oldfashioned standards hoch.

Ist das der Unterschied zur jüngeren Generation?

Die heutigen Kids halten die Beatles wahrscheinlich für Fahrstuhlmusik im Vergleich zu Slayer und Deathmetal. In den siebziger Jahren konnte man dagegen noch verschiedene Arten von Musik zugleich hören. Heute haßt ein junger Thrasher fast schon zwangsläufig Madonna. Das ist ein bißchen traurig. Ich meine, die Welt ist so schon deprimierend und eintönig genug, also sollte man die Vielfalt, die einem geboten wird, ausleben. Je abgefeimter und katalogisierter die Metalszene wird, desto mehr verkommt sie zu industriell gefertigter Aggressivität. Jeder kann Haß ausdrücken. taktaktak, I hate this, I hate that, fuck you, I like to kill, taktaktak. Was soll's? Für mich hat ein 60jähriger Bluesrecke mehr Zorn im Gesicht und im Herzen als irgendwelche aufgeblasenen Brutalos. Er ist voller Leidenschaft. Unmelodiöses Gehacke ist keine Leidenschaft. Das ist Passivität. Bei geringer Lautstärke bricht Speedmetal zusammen. Speed ist eben Geschwindigkeit, und keine Kraft. Das aber ist Rock 'n' Roll.