Ein selbstgebasteltes Stadt-Paradies

■ Das Projekt »Ökostadt« will eine ökologische Stadt für 50.000 Menschen in der Mark Brandenburg bauen: Für 100.000 Mark ein Haus aus Holz ohne Komposttoilette/ »Kulturelle Anbindung« an die Metropole/ Bisher existiert nur eine Skizze

Berlin. Vogelgezwitscher vom Band begrüßte die rund 300 Interessierten, die der Einladung des Fördervereins »Ökostadt« am Samstag in die Landesbildstelle gefolgt waren — ein Beitrag der Kultur-Arbeitsgruppe, wie später zu erfahren ist. Selbst das Kindergeschrei verstummte, als mit geübter Predigerstimme die stille Minute eingeläutet wurde: Beine auf den Boden, Hand aufs Herz (oder Bauch?), Augen zu und tief durchatmen! Und jetzt überlegt euch mal, warum ihr gekommen seid.

Dann geht es zur Sache. Jörn Behnsen, der »Vater« der Initiative, ergreift das Mikrophon und spricht von der Idee, die ihn letzten Sommer angesichts der Wandlungen und Veränderungen im Osten erfaßt hat. Klotzen statt Kleckern lautet die Devise des Bioarchitekten: »Keine Einzelhäuser mit Bio-Schnickschnack« mehr, warum nicht gleich eine ganze Stadt? Und wo läßt sich so ein Projekt verwirklichen? In der Mark Brandenburg. Drei Treffen mit Interessierten habe es bereits gegeben, verschiedene Arbeitsgruppen sind gegründet — zu Schule, Medizin, Kultur und Versorgung.

Mit 1.000 Mark Gesellschaftsanteil kann man der im Januar dieses Jahres gegründeten GmbH beitreten. Aber auch Förderer im angeschlossenen Verein sind willkommen. Denn, so der charismatische Behnsen, dem volkstümliche Weisheiten nicht fremd sind: »Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.« Und glaubt man seinen Ausführungen, so liegt das Geld auf der Straße beziehungsweise bei Stiftungen und Banken, die sich der Förderung »ethischer Zwecke« und »moralisch einwandfreier« Projekte verschrieben haben. »Davon gibt es bisher wenige«, meint der Mann mit blütenweißem Baumwollpulli bedauernd und optimistisch zugleich.

Über die Standortfrage ist wenig zu erfahren, man müsse sich derzeit noch bedeckt halten: Die Konkurrenz ist groß, die Spekulanten lauern, wer läßt sich da schon gerne in die Karten gucken? Um so mehr ist die Rede vom Einklang von »Leben und Wohnen«, wie sie stadtmüde Gemüter im Umland von Berlin finden sollen. Natürlich nicht auf der »grünen Wiese«, sondern, wie mittels Landkarte verdeutlicht wird, an einer der zahlreichen »Siedlungsachsen«, die den Anschluß ans »richtige« Stadtleben (sprich: Kultur genießen in Berlin) gewährleisten soll. Aber weit genug weg, um nicht »wieder eingemeindet« werden zu können. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, ein bißchen Selbstversorgung durch Biolandbau und Gemüsegarten, Schadstoffe müssen vermindert werden, Energie möglichst natürlich gewonnen, und Wasser wird gespart. 1.000 Hektar sollen nach Behnens Vorstellungen 50.000 Menschen beherbergen: »Eine ganz normale Stadt wie jede andere — nur eben ökologisch«, bringt er sein Konzept auf den Punkt.

Noch gibt es eine an die Wand projizierte Skizze der Stadt, ein Fluß mit See und Freibad in der Mitte, Grün dazu und zu guter Letzt schmiegt sich das ganze Stadtgebilde (»offen nach außen und innen«) an einen schönen grünen Wald.

Ein Diavortrag verdeutlicht, wie Behnsen — jetzt ganz Architekt — sich das Leben im Ökoheim vorstellt. Alles Holzrahmenbau, selbstverständlich ökologisch abbaubar und kostengünstig — auch das sei ökologisch. Die einfachsten Modelle sind schon für bescheidene 100.000 Mark zu haben, allerdings ohne Komposttoilette. Und damit sich die Menschen mit den Häusern auch identifizieren — Eigenverantwortung ist schließlich auch gefragt —, erfolgt die Fassadenverschalung (bevorzugt Lärche) in Selbsthilfe.

Für vorhandene Fragen aus dem Publikum blieb am Samstag nach diesem zweieinhalbstündigen Marathon leider keine Zeit mehr. Und der Versuch, statt dessen eine abschließende stille Minute einzulegen, scheiterte an der Aufbruchstimmung der Zuhörer. Birgit C. Stotko