Polen: Gefährliches „Kompott“

Warschau (taz) — Die Entdeckung der Heroin-Achse Dheli-Warschau-Berlin gehört zu den erfolgreichen Coups des polnischen Staatsschutzes. Sie zeigt auch, daß internationale Drogenschmugglerringe immer häufiger Polens durchlässige Grenzen für Transporte nutzen — in alle Himmelsrichtungen.

Als Janusz und Krzysztof, beide aus Stettin, im Herbst letzten Jahres in Warschau ihr aus Indien kommendes Flugzeug verließen und durch die Abfertigung gingen, wartete schon der Staatsschutz auf sie. Beide wurden festgenommen und in eine Klinik des Innenministeriums gebracht, wo man per Röntgenaufnahme feststellte, was man ohnehin vermutet hatte: Janusz hatte 65 mit Isolierstreifen verpackte Kapseln Heroin im Darm und Krzyszof noch einmal 28. Beide standen unter der Einwirkung starker Schmerzmittel.

Zur gleichen Zeit wurden in einem Warschauer Hotel zwei weitere Kuriere festgenommen, die die Kapseln über die Grenze weiter nach Berlin schaffen sollten. Weitere Festnahmen folgten. Die ganze Geschichte jedoch wurde erst Monate später bekannt. Kleinere Fische gingen den Behörden immer wieder ins Netz, den großen Schlag konnten sie bisher noch nicht landen.

Zu den kleineren Fischen gehörte auch ein Arzt aus der Kleinstadt Karlin, der bereits vor Jahren vom KGB auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo festgenommen worden war — mit fünf Kilogramm Heroin. Verurteilt zu drei Jahren Lager, kam er schon nach 14 Monaten frei, machte aber auf die polnischen Richter nach seiner Rückkehr einen derart verheerenden Eindruck, daß sie aus Mitleid auf eine Bestrafung in Polen verzichteten.

Daß dieser Kurier über Moskau kam, ist ebenfalls kein Zufall. Inzwischen gibt es Hinweise darauf, daß die sowjetische Mafia kräftig im Drogengeschäft mitmischt. Als Anfang Februar in Stettin der Prozeß gegen einen deutschen Drogenkurier und seinen Zulieferer begann, stellte sich heraus, daß die Polizei in der Wohnung des Polen ein Werbevideo für potentielle Käufer gefunden hatte. Aufgenommen waren russische Ikonen und andere Kunstgegenstände, Gold und Schmuck — Hauptschmuggelware aus den Ländern der ehemaligen UdSSR.

In umgekehrte Richtung gehen dafür nicht nur gestohlene Autos, sondern auch „Kompott“, wie unter Eingeweihten jenes aus Amphetaminen bestehende Kunst-Heroin genannt wird, auf dessen Herstellung sich eine gut organisierte Gang in Polen in den letzten Jahren spezialisiert hat. Dabei liefert Polen in alle Himmelsrichtungen soviel, daß in den skandinavischen Ländern der Preis auf den Schwarzmärkten mehrfach ins Rutschen kam.

Selbst der Internationale Rat für zollamtliche Zusammenarbeit mit Sitz in Brüssel erwähnte in seinem letzten Report Polen mehrmals als Produzent des „reinsten Kunst-Heroins“. Erst eine einzige Produktionsstätte konnte ausgehoben werden — ohne große Folgen allerdings, da es nicht gelang, auch nachzuweisen, daß dort Heroin hergestellt worden war, und die Hintermänner bereits ausgeflogen waren.

Dem Zollratsbericht ist auch zu entnehmen, daß insbesondere die nigerianische Drogenmafia immer mehr dazu übergeht, polnische, rumänische und albanische Kuriere zu nutzen.

Und bald, wenn sich die Konvertierbarkeit des Zloty hält und Polens Fixer zu etwas mehr Geld kommen, drohe auch Polen das Los der westlichen Industrieländer. Dann wird aus dem Transitland, so befürchten die Experten, ein großer Absatzmarkt. Klaus Bachmann