Von Herren und SklavInnen

■ Der afrikanische Sklavenhandel und die „Neue Welt“

Unter dem Motto „500 Jahre Kolonialismus“ finden in diesem Jahr zahlreiche Veranstaltungen statt. Meistens stehen Geschichte und Gegenwart Lateinamerikas im Vordergrund der Reflexionen. Doch mit der Inbesitznahme der „Neuen Welt“ begann auch für Afrika ein neuer Abschnitt, wurde auch dieser Kontinent in das von Europa dominierte Weltsystem einbezogen. Von zentraler Bedeutung war dabei der transatlantische Sklavenhandel.

Pünktlich zum Kolonialismus- jahr haben nun StudentInnen der afrikanischen Geschichte an der Universität Hannover den Versuch unternommen, das Thema Sklaverei in Afrika einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aus ihrer Arbeit entstand ein spannendes Buch, das nicht nur darüber aufklärt, wie unterschiedlich afrikanische Gesellschaften auf die plötzlich steigende europäische Nachfrage nach Sklaven reagierten. Auch die Bedeutung und die Erscheinungsformen von Sklaverei in Afrika selbst werden an aussagekräftigen Beispielen erläutert.

Mancher wird da von undifferenzierten Vorurteilen ablassen müssen: „Afrikaner haben Afrikaner versklavt, und heute existierende Anschauungen von einer vorkolonialen afrikanischen Idylle müssen in diesem Kontext und für diese Zeit ins Reich der Mythen verwiesen werden, ebenso wie das Bild des ,geschichtslosen Afrikas‘“, heißt es in der Einleitung.

In vielen Regionen wurden Kriegsgefangene regelmäßig versklavt. In Kayor im heutigen Senegal landeten sie als „Kronsklaven“ in Armee und Verwaltung des Königs. Im Asante-Reich (Ghana), in Dahomey (Benin) und im ostafrikanischen Buganda wurden sie als Feldarbeiter vor allem in der Nahrungsmittelproduktion eingesetzt. Durch die Freisetzung einheimischer Arbeitskräfte ermöglichten sie den Aufbau staatlicher Macht. Als Haussklaven hatten sie oder ihre Nachkommen jedoch zumindest längerfristig die Möglichkeit, sich in die Gesellschaft zu integrieren, konnten hohe Verwaltungsposten innehaben und zu Reichtum gelangen.

In ihrer Ausformung unterschied sich so die traditionelle Form afrikanischer Sklaverei grundlegend von der europäisch dominierten Plantagenwirtschaft in Amerika. Der transatlantische Sklavenhandel bedeutet somit sowohl qualitativ als auch quantitativ eine revolutionäre Veränderung. Alte Reiche wurden durch ihn zerstört, neue entstanden.

Barbara Sivers zeigt am Beispiel Kayors, wie sich der König, gestützt auf die Armee seiner Kronsklaven, zunächst das Monopol des Sklavenhandels und damit seine Macht sichern konnte. Mit dem Höhepunkt der europäischen Nachfrage nach Sklaven im 18.Jahrhundert verselbständigten sich die Kronsklaven jedoch und griffen immer wieder in die häufigen Erbfolgekämpfe ein. Menschenraub wurde im Kernland selbst zu einer alltäglichen Gefahr, Entvölkerung und Hungersnöte waren die Folge. Die Bauern suchten Schutz im Islam; die Königsmacht wurde so geschwächt, daß der Einfluß der Franzosen immer stärker werden konnte.

Ganz anders das Asante-Reich. Wolfgang Kaese beschreibt in seinem Aufsatz „Die Bedeutung von Sklaverei für die Herausbildung zentralisierter politischer Herrschaft, für die Entstehung eines afrikanischen Staates“. Bedroht von den küstennahen Reichen, die den Handel mit den Europäern kontrollierten, schlossen sich die Akan-Völker im heutigen Zentral-Ghana im 17.Jahrhundert zu einer Föderation zusammen. Zunächst gegen Geld, dann gegen Sklaven wurden Feuerwaffen eingetauscht. Es entwickelte sich eine von traditonellen gesellschaftlichen Banden unabhängige Militäraristokratie, die Asante zur regionalen Vormacht ausbaute.

Besonders interessant ist der von Uta Lehmann-Grube und Helmut Bley verfaßte Teil zu Südafrika. Ein Sonderfall, denn nur dort hielten Europäer in Afrika selbst Sklaven. Versklavt wurde keineswegs die ortsansässige Khoikhoi-Bevölkerung — das war von der holländischen Ostindiengesellschaft verboten worden. Da aber Kapstadt an einer Hauptroute des internationalen Sklavenhandels lag, konnte man sich gleich aus mehreren Regionen bedienen: Mosambik, Madagaskar, Indien und Indonesien. „So entstand an der Südspitze Afrikas die wohl internationalste Sklavengesellschaft, die wir kennen“, schreiben die Autoren. Auf den kleinen burischen Farmen im Landesinnern, wo Herren und SklavInnen gemeinsam arbeiteten, herrschte ein „Klima der Gewalt und der Brutalität“. Nur so ließ sich offenbar der Statusunterschied aufrechterhalten. Die auf erzwungener Arbeit gegründete Gesellschaft Südafrikas ist auf diesem Boden gewachsen.

Die Schwäche dieses Buches liegt in den theoretischen Passagen. Leider ist es den Autoren weder gelungen, das Wirrwarr in der wissenschaftlichen Debatte über die Definition afrikanischer Sklaverei auf eine auch für Laien nachvollziehbare Weise durchschaubar zu machen, noch fühlt man sich nach der Lektüre klüger in bezug auf die Bedeutung, die Sklavenhandel und -haltung für die europäische Wirtschaft hatten.

Doch wie man es auch sieht, die Einschätzung des aus Burkina Faso stammenden Historikers Joseph Ki- Zerbo bleibt sicher auch in Zukunft gültig: „Insgesamt hat der Sklavenhandel zu viele lebendige Kräfte, zu viele schöpferische Energien verschlungen, als daß man ihn nicht als die große Wende in der Geschichte Afrikas betrachten müßte. Ebensowenig kann man wohl eine Bilanz des Sklavenhandels ziehen, denn es ist schwierig, das Elend der Menschen zu registrieren.“ Thomas Mösch

Helmut Bley u.a. (Hrsg.): Sklaverei in Afrika. Afrikanische Gesellschaften im Zusammenhang von europäischer und interner Sklaverei und Sklavenhandel. Centaurus- Verlagsgesellschaft, Pfaffenweiler, 183 Seiten, 39,80DM