Vom »Schließer« zum Sozialarbeiter

■ Justizvollzugsbedienstete sollen künftig die Fachhhochschule besuchen können/ Studenten fürchten Verschlechterung der Sozialarbeit/ Justizverwaltung will Sozialarbeiternotstand im Knast beenden

Schöneberg. Die Studenten der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (FHSS) machen gegen einen Schwung neuer Kommilitonen mobil. Ab dem Sommersemester sollen an der FHSS Justizvollzugsbedienstete zu Sozialarbeitern ausgebildet werden. Diese »Ummodelung von Schließern zu staatlich anerkannten Sozialarbeitern« konterkariere den Sinn der Sozialarbeit im Knast, fürchten viele Studenten.

Anlaß des Studiengangs ist ein seit Jahren anhaltender »Sozialarbeiternotstand« in den Gefängnissen. So sind in der Jungendvollzugsanstalt (JVA) Tegel von fünfzig Stellen zehn unbesetzt. »Die Fluktuation ist ungeheuer«, sagt auch Doris Mischau, in der Justizverwaltung zuständig für Sozialarbeit. Sie begrüßt den Studiengang, in dem Justizvollzugsbedienstete mit mindestens vierjähriger Berufserfahrung für die Studienzeit teilweise freigestellt werden. »Wir müssen den Personalschwund auffangen.«

Die Befürchtungen der Studenten sind vielfältig. Die Justizverwaltung werde vermutlich nur politisch besonders beliebte Bedienstete zu dem Studiengang zulassen, mutmaßt Studentin Ute Küntzeler. Außerdem sei absehbar, daß viele die Zusatzausbildung nur begännen, um auf diesem Weg in den mittleren gehobenen Dienst zu gelangen. Die jahrelange Tätigkeit als »Schließer« sei »keine Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aspekten der Sozialarbeit«, heißt es in einem Schreiben der Studenten.

Die fachgebundene Studienberechtigung, aufgrund derer Justizvollzugsbedienstete zum Studium zugelassen werden sollen, ist laut Berliner Hochschulgesetz für sozialpädagogische und sozialpflegerische Berufsgruppen wie Erzieher, Krankenschwestern und Altenpfleger vorgesehen — »sowie für vergleichbare Berufsausbildungen«. Es gehe aber nicht an, die zweijährige Vollzugsschulausbildung als vergleichbar anzuerkennen, so Küntzeler.

»Wer fünfzehn Jahre Türen zugeschlossen hat, wird doch nicht plötzlich zum engagierten Sozialarbeiter und setzt sich für die Belange der Insassen ein«, ereifert sich auch Michael Gähner, Ex-Insasse und Vertrauensmann der Insassen-Zeitung 'Lichtblick‘. »Es ist das Ende der Sozialarbeit im Knast, wenn künftig Ex-Schließer auf den Posten sitzen.«

Professor Heinz Cornel, Initiator des Studiengangs, hält derlei Befürchtungen für unbegründet und die Ausbildung aus »kriminalpolitischen Motiven« für sinnvoll. Schließlich absolvierten die Justizvollzugsbediensteten das gleiche Studium wie alle übrigen Studenten der FHSS. »Es ist Zeit, alte Vorurteile abzuarbeiten«, so Cornel.

Die Wissenschaftsverwaltung hat ihren Segen zu dem Studiengang bereits gegeben. Die Zustimmung des Akademischen Senats steht noch aus. jgo