: Den Sturz von Saddam Hussein wollen sie alle
Die irakische Opposition: Politisch uneins und in ausländischen Umsturz-Szenarien verplant ■ Aus Kairo Ivesa Lübben
Die irakische Opposition habe sich darauf geeinigt, sich zu einigen. Dieses magere Fazit zog Mohammad Baqr Al Hakim, Führer des „Obersten Rates der Islamischen Revolution im Irak“, nach seinem Empfang beim saudischen König Fahd letzten Mittwoch in Riad. Tagelang hatten Al Hakim, die Führer irakischer Stämme, hohe irakische Ex-Militärs und Vertreter einer bislang kaum in Erscheinung getretenen „kurdisch-islamischen Front“ zuvor mit der saudischen Führung über Möglichkeiten des Sturzes von Saddam Hussein beraten. Noch Anfang letzter Woche hieß es, daß sich in drei Tagen die gesamte irakische Opposition in Riad zur Wahl einer gemeinsamen Führung versammeln werde. Die Einigung und Institutionalisierung der irakischen Opposition soll einem internationalen Plan zum Sturz von Saddam Hussein die nötige Legitimität verleihen. Erst kürzlich war der Chef des US-Geheimdienstes CIA, Gates, deshalb nach Kairo, Tel Aviv und an den Golf gereist.
Letzte Woche meldete die arabische Zeitung 'Al-Hayat‘ unter Berufung auf amerikanische und britische Geheimdienstquellen, daß dieser Plan Anfang Februar beschlossen worden sei. Er sehe vor, das irakische Regime, vor allem den Geheimdienst und die Armee, zu unterwandern und nach einer Alternative zu suchen, auf die sich die gesamte Opposition einigen könne. Untergrundzellen der Opposition, deren Aufgabe es sei, Repräsentanten des Regimes zu ermorden und innere Unruhen zu schüren, sollen finanziell, militärisch und politisch unterstützt werden. Die Geheimoperation soll von Agenten eingeleitet werden. Einige seien bereits im Irak.
Bislang sind allerdings alle Bemühungen, die irakische Opposition zu einigen, im Sande verlaufen; schon vor einem Jahr konnten sich die damals in Beirut versammelten irakischen Oppositionsgruppen lediglich auf den „Sturz Saddam Husseins“ einigen — auf mehr nicht. Zu einem geplanten Folgekongreß kam es gar nicht erst. Die Verhandlungen der Kurden im letzten Sommer mit dem Regime in Bagdad verärgerten den Rest der Opposition. Die Versuche Al Hakims, sich in Damaskus mit dem von Syrien unterstützten „Komitee der gemeinsamen Aktion“ zu einigen, waren erfolglos. Dieses „Gemeinsame Komitee“ ist wohl das breiteste irakische Oppositionsbündnis. Ihm gehören die „Kurdische Front“, die meisten schiitischen Organisationen und die irakische Linke an. In Riad wartete man umsonst auf die Vertreter des „Komitees“.
Kurdenführer Barsani traf sich statt dessen in London mit Premierminister Major und bat um Unterstützung des irakischen Widerstandes, warnte jedoch gleichzeitig vor einer direkten ausländischen Einmischung. Versuche von Regionalmächten, sich von ihnen abhängige Gruppen zu schaffen, würden die Spaltungen innerhalb der irakischen Opposition nur vertiefen. Barsani zweifelt an der Ernsthaftigkeit der meisten irakischen Exilpolitiker. Letztes Jahr habe er die gesamte Opposition nach Kurdistan eingeladen, um den Widerstand im Lande selber zu festigen. Aber niemand sei gekommen, berichtete er während eines Vortrages im „Royal Institute for Political Studies“ und fügte bitter hinzu, die meisten der 72 Oppositionsparteien und Organisationen hätten sich die Parolen der Opposition zu eigen gemacht, um damit „Geschäfte zu machen“.
Auch in der schiitischen Opposition gibt es Differenzen. Zwar ist der vom Iran unterstützte „Oberste Rat der Islamischen Revolution“ formal eine Art Dachorganisation aller ihrer Gruppierungen. In Wirklichkeit haben die relevanten schiitischen Gruppen, wie die „Dawa“ oder die „Partei der Islamischen Aktion“, aber Al Hakim längst die Gefolgschaft aufgekündigt. Sie werfen ihm vor, sich vom Iran abhängig gemacht zu haben. Anders als er fordern sie auch, daß die Iraker von den an den Iran und Kuwait zu zahlenden Reparationen befreit werden, da sonst der Wiederaufbau des Landes nicht gewährleistet sei.
Der Hauptwiderstand gegen die amerikanisch-britischen Bemühungen zum Sturz Saddam Husseins kommt jedoch zur Zeit aus Syrien. Zwar denkt auch Assad nicht daran, seine Beziehungen zu Bagdad zu normalisieren. Noch mehr Angst hat Damaskus jedoch vor einem proamerikanischen Regime in Bagdad, das Syrien in seiner Verweigerungspolitik bei den Nahost-Gesprächen isolieren könnte. Diskrete Rückendeckung erhält Damaskus inzwischen auch aus Kairo. Wie am Samstag verlautete, hätten sich die Ägypter gegenüber CIA-Chef Gates gegen eine Bewaffnung der irakischen Opposition ausgesprochen. Sie haben Angst vor einer iranischen Beteiligung bei einem Zukunftsarrangement in Bagdad und befürchten eine Einmischung des Mossad. Ob der für Ende März angekündigte Oppositionskongreß stattfinden kann, scheint unter diesen Umständen fraglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen