Wundervogel Jäger90 vor Comeback

■ Expertengruppe der Koalition sieht in dem umstrittenen Kampfflugzeug die günstigste Lösung/ Endgültige Entscheidung soll noch vor dem Sommer dieses Jahres fallen

Berlin (taz) — Jürgen Schrempp, Chef der Daimler-Tochter Deutsche Aerospace, kann wieder aufatmen. Die Bonner Koalition freundet sich offensichtlich immer mehr mit dem umfangreichsten Beschaffungsprogramm der Bundeswehr, dem Jäger90, an. Der milliardenschwere Wundervogel wird von der eigens für das Großprojekt eingesetzten christlich-liberalen Expertengruppe als kommendes Jagdflugzeug favorisiert. Laut der 'Süddeutschen Zeitung‘ hat das Gremium auf seiner dritten Sitzung die Produktion des Jägers als günstigere Lösung gegenüber dem Kauf eines anderen Kampfjets vorgezogen. Die ins Auge gefaßten Alternativen — die französischen Raffale, der US-Kampfjet YF-22 und die Mig-29 — sollen zum Teil gar teurer kommen, ohne die Qualitäten des Jäger90 zu erreichen. In zwei Wochen wollen die Kommissäre abschließend beraten und ihre Entscheidung dem Kabinett vorlegen. Die Zeit drängt, denn in den Haushalt 1993, der im Sommer beschlossen wird, müssen erste Finanzspritzen ihn Höhe von rund 100 Millionen Mark für den Bau des Euro-Jägers eingeplant werden.

Allein rund sechs Milliarden Mark an Steuergeldern muß die Bundesregierung in die Entwicklung des Flugzeugs buttern, das Ende der 90er Jahre die betagte Phantom und den Tornado ablösen soll. Die Stückkosten belaufen sich nach Industrieangaben auf rund 135 Millionen Mark; die Beschaffungskosten dürften sich auf rund 17 Milliarden Mark summieren. An dem European Fighter Aircraft (EFA) sind die Bundesrepublik und Großbritannien mit je 33Prozent, Italien mit 21Prozent und Spanien mit 13Prozent beteiligt.

Wie kein anderes Unternehmen hängt die Daimler-Luft- und Raumfahrttochter Dasa an dem teuersten und umstrittensten Rüstungsprojekt. Schätzungsweise 80Prozent der bundesdeutschen Entwicklungs- und Baukosten entfallen auf das Unternehmen. Stürzt der Jäger90 ab, wären allein 5.000 Arbeitsplätze in Manching und Augsburg unmittelbar betroffen. Insgesamt hängen rund 20.000 Arbeitsplätze an dem Projekt. Die Rüstungslobby hat für den Fall einer Streichung bereits Ersatz eingefordert.

Im Frühjahr 1988 hatte die Koalition grünes Licht für den einsitzigen Jäger gegeben. Die Gesamtkosten, einschließlich Entwicklung, wurden vor knapp vier Jahren mit 22,3 Milliarden Mark veranschlagt, wobei die bundesdeutschen Planungen von 200 Flugzeugen ausgingen. Nun soll sich die Luftwaffe angesichts der Milliardenlöcher im Haushalt mit 150 Maschinen begnügen. Das Ende des Kalten Krieges und vor allem die ständig steigenden Kosten hatten das Projekt ins Trudeln gebracht. Selbst CDU-Abgeordnete setzten sich zuletzt für einen Kauf eines anderen Flugzeugs von der Stange ein oder plädierten für den Umbau des Tornados. Der erste flugfähige Prototyp des Jägers steht unterdessen kurz vor seiner Fertigstellung. In der Dasa- Endmontagehalle laufen derzeit die letzten Abschlußarbeiten und Tests; in der zweiten Jahreshälfte soll das militärische Hightech-Flugzeug zu seinem Erstflug vom MBB-Flughafen Manching abheben. Die Industrie hofft, mit den Flugergebnissen eine Serienfertigung weiter untermauern zu können. es