Welchen Anwalt liebt Erich Mielke?

Die Anwälte des früheren MfS-Chefs im Clinch: Soll der Angeklagte heute aussagen oder nicht?/ Ex-Verteidiger Wetzenstein-Ollenschläger auf der Flucht/ Er ist in den Schalck-Skandal verwickelt  ■ Von Claus Christian Malzahn

Berlin (taz) — Mielke Alaaf: Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger ist auf der Flucht vor den Justizbehörden — und die übrigen Anwälte des früheren Stasi-Chefs streiten zur Zeit nicht mit der Staatsanwaltschaft, sondern untereinander. Welcher Verteidiger heute in der Gerichtsverhandlung Mielkes Interessen vertreten darf, war gestern völlig unklar: der Pflichtverteidiger Hubert Dreyling und der Wahlverteidiger Gerd Graubner kämpfen mit harten Bandagen um die Gunst ihres greisen Mandanten.

Die Lage könnte kaum verworrener sein: Nachdem Erich Mielke am vergangenen Wochenende in einem Interview angekündigt hatte, seine „Gaga-Masche“ vor Gericht endlich aufzugeben und in zusammenhängenden Sätzen auf die Fragen des Richters antworten zu wollen, änderte er seine Meinung binnen 24 Stunden wieder. Am Montag spielte Mielke vor Gericht wieder den Idioten. Der Pflichtverteidiger Mielkes, Hubert Dreyling, wittert dahinter eine „große Sauerei“. Ihm war es nach eigenen Angaben gelungen, Mielke davon zu überzeugen, daß es besser für ihn sei, sein Schweigen zu brechen. Wahlverteidiger Graubner habe Mielke daraufhin mit dem Anwalt Stefan König aufgesucht. Dreyling zur taz: „Die beiden haben Mielke wieder umgedreht!“ Der Angeklagte hatte zuvor angedeutet, am 11. März vor dem Schalck-Ausschuß im Bundestag aussagen zu wollen. Es sei offensichtlich, daß alte Stasi- Kräfte Druck auf Mielke ausüben würden und ihm am Reden hindern wollten, so Dreyling.

Stefan König habe sich „das Mandat von Erich Mielke erschlichen!“ behauptete Dreyling. Diese Vorwürfe wies König weit von sich. Auf die Frage, ob er Mielke vertrete, wollte er „aus grundsätzlichen Motiven“ nicht antworten. Am Montag saß er aber schon auf der Verteidigerbank. Die Unterstellung, er handele im Auftrag alter Stasi-Kader, sei „absolut abwegig“, erklärte König.

Die große Frage heute: Redet Mielke wirres Zeug, oder sagt er Substantielles aus? Oder hält er einfach nur die Klappe? Die „Idioten- Nummer“ kauft ihm jedenfalls sein Pflichtverteidiger nicht mehr ab. „Als ich Mielke in der vergangenen Woche mit einer Journalistin besuchte, fiel mir fast der Griffel aus der Hand. Der Mann formulierte auf einmal kristallklare Gedanken!“ Mielke wolle nicht zum Verräter werden, sondern sich nur „zu zeitgeschichtlichen Fragen“ äußern. Davon hält Stefan König gar nichts: „Wenn ein Angeklagter monatelang geschwiegen hat, muß ich seine mündlichen Einlassungen doch vorbereiten. Ich kann den doch nicht einfach so losquatschen lassen!“ Eine gemeinsame Strategie werden die Verteidiger von Erich Mielke wohl nicht mehr entwickeln, und die Frage, ob er heute redet oder nicht, wird wohl auch entscheiden, wer den 84jährigen künftig vertritt. Geradezu symbolisch: Zwischen dem Gespann Graubner/König und Dreyling war am vergangenen Montag ein Stuhl frei. Dreyling: „Ich verteidige Mielke so lange, bis er sagt, daß ich das lassen soll. Ich genieße nach wie vor sein Vertrauen.“ Dasselbe behauptet auch Rechtsanwalt Graubner von sich. Dreyling wörtlich über seinen Kollegen, der aus dem Osten kommt: „Der ist auch bald dran. Unsere Ermittlungsbehörden sind ja ganz fleißig!“

Während drei Verteidiger streiten, flüchtet der vierte: Nach Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger wird seit Freitag gefahndet. Der 50jährige ehemalige DDR-Richter steht unter dem dringenen Verdacht, im Sommer 1991 17 Millionen Mark von einem Bankkonto der Berliner Außenhandelsfirma Forgber abgehoben und auf ein privates Sparkonto in Österreich eingezahlt zu haben (Siehe Kasten). Die Firma gehörte zum KoKo-Imperium des Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski. Die Arbeitsgruppe Regierungskriminalität bei der Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt nun „wegen des Verdachtes der Beihilfe zur Untreue“, so die Justizpressesprecherin Burghard. Ob ein internationaler Haftbefehl beantragt werde, sei noch unklar, sagte sie weiter. Gestern tauchten Gerüchte auf, nach denen sich Wetzenstein-Ollenschläger nach Südamerika abgesetzt haben soll. Gegen den silberhaarigen Juristen laufen wegen seiner Tätigkeit als DDR-Richter noch weitere 29 Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung. Kurz vor seiner Flucht hatte Wetzenstein-Ollenschläger sein Mandat niedergelegt. Die Begründung: Er wolle das Verfahren gegen Mielke durch seine Person nicht zusätzlich belasten. Darum ging es dem Juristen offenbar nicht: Der mutmaßliche Millionendieb brauchte ein paar Tage Zeit, um seine Flucht vorzubereiten.