„Penny-Gang“ mit Bock auf Gewalt

■ Rechtsradikaler wegen Gaspistolenanschlags auf Iraner verurteilt

Sie sind zwischen 16 und 22 Jahre alt. Sie kommen aus gutsituierten Elternhäusern. Sie treffen sich abends auf einem Spielplatz in Schwachhausen. Und sie sind gewalttäig: Dreimal sind Mitglieder der „Penny-Gang“ (so nennen sie sich selbst nach der Konsum- Kette, wo sie ihren Schnaps und ihr Bier kaufen) im letzten Herbst bei der Polizei aufgefallen. Durch gefährliche Körperverletzung an einem Iraner, durch Gewaltandrohung an einem Schwarzen, und im kommenden April müssen sich drei Mitglieder der „Penny“- Bande vor der Jugendstrafkammer des Bremer Landgerichtes verantworten: Sie werden angeklagt, einen Brandanschlag auf ein Ausländerwohnheim in Schwachhausen verübt zu haben.

Thorsten B. (21) ist einer von der Bande. Er saß gestern auf der Anklagebank des Bremer Amtsgericht. Gefährliche Körperverletzung wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, des weiteren soll er von dem Brandanschlag auf das Ausländerwohnheim gewußt und diese Tat nicht angezeigt haben.

September 1991: Thorsten B. und zwei Freunde kehren in dem Lokal des Iraners Ali S. ein. Die jungen Männer trinken Bier, die Unterhaltung springt auf den Nachbartisch über, wo Bekannte sitzen. „Dann fiel das Wort Kanake“ erinnerte sich Ali S., der Wirt, gestern vor Gericht. Die Männer werden gebeten, das Lokal zu verlassen, Ali S. folgt ihnen auf die Straße, weil er um seine Eistruhe fürchtet, die vor seinem Lokal steht. Draußen kommt es dann zu verbalen Auseinandersetzungen, „und plötzlich war ich blind“, berichtete der Wirt. Thorsten B. hatte ihm „aus unmittelbarer Nähe, sicherlich aus einer Distanz, die kleiner war als ein Meter“ (Aussage des Angeklagten), dreimal ins Gesicht geschossen. S. hat davon eine „tätowierungsartige“ Wunde im Gesicht, die möglicherweise nicht mehr verheilen wird.

Er sei volltrunken gewesen, erklärte der Angeklagte. Im Gegensatz zum Tatabend, wo er Bomberstiefel und schwarze Kleidung trug, ist er vor Gericht in weißem Hemd erschienen. B. ist Mitglied der rechtsradikalen Nationalistischen Front, aber „inaktiv“, wie er behauptet. Amtsrichter Ulrich Hoffmann wird ihm in der Urteilsbegründung später „taktische, dünne Tünche“ attestieren. Er habe angenommen, der Wirt wolle einen seiner Freunde angreifen, führte B. weiter aus, und deshalb habe er aus Notwehr geschossen. Als ihm der Richter ein Foto von der Gesichtsverletzung des Opfers zeigt, kommentiert B.: „Sehr nett.“

Der zweite Tatvorwurf: Am Abend des 27. September habe Thorsten B. mit der Penny-Clique zusammen den Brandanschlag auf das Ausländerwohnheim Schwachhauser Heerstraße geplant. Die Beteiligten hätten sich wie jeden Tag auf dem Spielplatz Ulrichstraße getroffen. „Es steht fest, daß an diesem Abend die Preise verteilt worden sind: Wer was mitbringt für den Molli und wer was wirft“, bedrängt Staatsanwalt Siegfried Neugebauer den Angeklagten. „Das Benzin für die Tat fiel schließlich nicht vom Baum.“

Der Angeklagte streitet ab. Er sei bei dem Treffen auf dem Spielplatz dabeigewesen, Vorbereitungen für den Anschlag habe es nicht gegeben. „Irgendjemand sagte nur: Es müßte einmal was passieren in Bremen“, und auch konkrete Objekte seien im Gespräch gewesen: Das Wohnschiff für Asylbewerber im Hemelinger Hafen und das Haus Schwachhauser Heerstraße 110. Konkret sei in seiner Anwesenheit aber nichts verabredet worden. „Ich habe von der Tat erst im Radio gehört, dann wußte ich allerdings, wer es gewesen ist.“

Aussagen von Beteiligten stellen diesen Sachverhalt anders da. Richter Hoffmann verliest die Aussage eines Mannes, der zugibt, daß Benzin besorgt zu haben und weitere Namen nennt. Der von B. ist auch dabei. Zusätzlich schwirren prominente Namen durch den Gerichtssaal, Namen von einem Rechtsanwaltssohn und dem Sohn des Geschäftsführers eines Bremer Verlages. Aber weil nicht alle Zeugen geladen sind, wird dieser Tatvorwurf von den Verfahren abgetrennt.

Als „politisch motivierte Gewaltbereitschaft“ wertet der Anwalt des Opfers als Nebenklage- Vertreter den Angriff mit der Gaspistole. „Sie haben sich bis heute noch nicht einmal bei meinem Mandanten entschuldigt. Sie bereuen nichts, es ärgert Sie nur, daß sie erwischt worden sind“, hält er dem Angeklagten vor. „Latente Gewaltbereitschaft“ bescheinigt Amtsrichter Hoffmann dem jungen Angeklagten, hält aber politische Motive nicht für ausschlaggebend. Das Urteil: Sechs Monate auf Bewährung und 1.000 Mark in Monatsraten zu 40 Mark als Schmerzensgeld. mad