DURCHS DRÖHNLAND
: Zöpfchenflechten am Swimmingpool

■ Die besten und schlechtesten, wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wieder mal Rock 'n' Roll. Wieder mal junge Menschen, die davon überzeugt sind, daß die Welt noch eine Band braucht. Wieder mal die dreckige, gerne nach Straße schmecken wollende Variante. Das Schöne an The Circus ist, daß sie nicht viel Aufhebens darum machen. Kurz und staubtrocken, hier ein Break, dort ein verlorenes Zögern und Geklimper. Genau die Sorte Gitarrenrock, für die ein Label wie Glitterhouse erfunden wurde. Aber leider halt auch schon wieder circa fünf Jahre zu spät für's Revival. Wer will das schon noch hören? Ich ab und zu, weil es mich an Sister Ray (wahlweise den Song und die Band) erinnert, oder an die allerfrühesten Kinks, denn damals war ich noch nicht geboren. Bad Taste dagegen sind lärmig-wütender jugendlicher Hardcore. Leute, die früher — frisch aus dem Gymnasium — Punk gemacht hätten. Sie bedienen ihre Instrumente nicht so gekonnt wie The Circus, aber für ihre Vorstellung von Musik ist das auch nicht nötig. Hauptsache, es kracht und hört sich fies genug an. Ungefähr so nötig wie ein Kropf und auch ungefähr so hübsch, aber doch immer wieder nett und als Abendgestaltung durchaus brauchbar. Außerdem: Zarte Pflänzchen soll man gießen.

Am 6.3. um 21 Uhr im Wasserturm, Kopischstraße 7, Kreuzberg

Dies hier sind Punkrocklegenden aus dem Amiland. Mit der klassisch-gemütlichen Brit-Variante haben Antiseen nicht viel am Hut. Der Amerikaner war schon immer etwas weniger diffizil und darum nennt er seine Musik »Rock 'n' Roll«, weil: da paßt alles rein. Antiseen machen dann auch eher eine Steinzeitversion von Speedmetal. Ansonsten bin ich stolz, ein paar Zeilen aus dem Info zitieren zu können, denn nie waren sie so wertvoll wie heute: »Genial-superstumpfes Riff-Gehämmere der übelsten Sorte, dazu stößt Sänger Jeff Clayton krankhafte, gerade noch humanoide Laute aus. Gerader und unvirtuoser geht Rock nicht. Primitiv und brachial — der tongewordene Ausnahmezustand.« Das ist doch niedlich, aber ich glaube, daß es genau Leute mit diesem Selbstverständnis waren, vor denen mich meine Eltern immer gewarnt haben.

Am 6.3. um 20 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Etwas für die Leute, die konsequent die letzten fünf Jahre Entwicklung im Metal verschlafen haben. Im allgemeinen Softrockfieber erwachten auch UFO wieder zum Leben. Das ist doch schön für sie. Leider ohne Michael Schenker, der wahrscheinlich gerade seine Zöpfchen an irgendeinem Swimmingpool in Los Angeles von einer langhaarigen Blondine neu flechten läßt. Der Dumpfbackenrock regiert aber auch ohne Michi satt und melodiös und herzschmerzschmachtend wie ehedem. Wenn ich mich so zurückerinnere, habe ich Lights Out und Too Hot to Handle als ganz nette Songs in Erinnerung. Aber wir alle werden älter. Das Aufregendste an der Vorgruppe Roadhouse ist die Tatsache, daß ihr Gründer Pete Willis mal bei Def Leppard war. Ansonsten noch dumpfbackiger. Das Aufregendste an diesem Konzert ist die Tatsache, daß es kurzfristig vom H&M ins Quartier verlegt worden ist.

Am 6.3. um 20 Uhr im Quartier, Potsdamer Straße 96, Schöneberg

Man hätte ja schon meinen können, der musizierende Schwede wäre ausgestorben. Ausnahmen wie Leather Nun und Union Carbide Production bestätigten da nur den Verdacht. The Sinners kommen auch aus dem hohen Norden, sind in Schweden selbst wohl leidlich bekannt und existieren bereits seit 1984. Dies ist ihre erste Tour in wesentlicher Entfernung vom Polarkreis, und es dürfte ihre letzte sein. Zu austauschbar ist der Bikerrock der Sinners, zu tausendmalgehört. Auch die drei Themen sind geschmackvoll ausgesucht: girls, girls und girls. Natürlich setzen sie die schwedische Tradition seit den Nomads fort: Gutes Handwerk. Also wer Stumpfrock mit Südstaateneinfluß und Gütesiegel mag, ist hiermit gut bedient.

Am 6.3. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow

Für die romantische Seite in jedem gibt es Bands wie Love Sister Hope. Bands wie diese verwenden gerne eine Geige, um ihren Folkgerüsten ein bißchen Fleisch auf die Rippen zu geben — und wegen der Melancholie natürlich. Die 1989 in Berlin zusammengekommene Band steht dabei ganz in der Tradition, die von einer Band wie den Go-Betweens markiert wird. Das bedeutet vor allem, daß ein Song nicht roh in Strophen und Refrain aufgeteilt wird, sondern erzählt, erzählt und erzählt — und sich dabei steigert, heftiger wird und lauter... bis er dann zu Ende ist. Manchmal fangen die Stücke auch schon schnell und laut an. Dann erinnern sie eher an die atemlosen Momente der Walkabouts. Schön ist beides. Große Weite aus Berlin — früher konnte man darüber wenigstens Witze machen.

Am 7.3. um 21 Uhr in der Villa Kreuzberg, Kreuzbergstraße 62

Die Begriffe zerfasern immer mehr. Death in Action z.B. werden als Trash bezeichnet. Das bedeutet in diesem Fall allerdings Trashmetal und nicht etwa Cramps. Trashmetal wiederum zeichnet eine leicht erhöhte Geschwindigkeit im Vergleich zum Speedmetal aus, aber noch erkennbare Gesangslinien und Stimmen im Vergleich zum Deathmetal. Death in Action kommen aus Süddeutschland, und die Menschen dort sind bekanntermaßen ernsthaft genug, die im Genre durchaus beliebten Splatter-Texte als zu verharmlosend abzulehnen. Death in Action wenden sich statt dessen der politischen Kritik zu. Themen sind Sekten, politische Häftlinge, Kampfhunde, Behinderte, Indianer usw. Hier liegen die Roots also eindeutig im Punk, was sich auch in den Songstrukturen ausdrückt, die noch als solche erkennbar sind.

Am 7.3. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Ex-Hawaiianer scheinen eine besondere Beziehung zu (Ex-)Inseln zu haben. Anfang Februar begannen die Dambuilders ihre Tour in Berlin, heute beschließen sie sie an selber Stelle. Damals stand hier: »Das Schönste, was es an Kunststudentenpop geben kann«, und das stimmt natürlich immer noch. Dazu spielen dann noch Well Well Well. Die Jungs aus Waltrop sind so ziemlich das Beste, was die westdeutsche Provinz an Ami-Gitarrenrock hervorgebracht hat — vielleicht nach den Speedniggs.

Am 7.3. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow

Sie ist immer noch so hysterisch wie früher und ihre Vokalakrobatik immer noch genauso beeindruckend. Zu ihren Kieksern und dem Lale-Andersen-Timbre hat sich Nina Hagen ja schon vor längerer Zeit einen straighten Dancegroove verpassen lassen, dessen Beats zwar nicht mehr allzu zeitgemäß sind, aber das kann sich eine Legende natürlich leisten. Auf der letzten Platte Street darf sogar ein Rapper mittun, aber was tut das schon zur Sache, wenn unsere Berliner Göre und Space- Connection erst einmal auf der Bühne steht.

Am 8.3. um 20 Uhr in der Halle, Weißensee

Mit dem Weill-Album hatten sie einen kleinen Durchhänger, aber nun sind die Young Gods wieder auf der Höhe. Der New Musical Express schrieb über die Schweizer: »Wagner und Vietnam explodieren gemeinsam.« Das ist es. Große Taten und große Töne. Gewalt und Brutalität. Bereits 1986, als jeder bei dem Wort Techno noch an seine Steckdose dachte, mischten die Young Gods ultraharte Rhythmen, ultraharte Gitarren und ultraharte Maschinenklänge. Damals waren sie Innovatoren den synthetischen Sounds. Heute mögen sie zwar antiquiert klingen, weil sie immer noch in Songstrukturen verhaftet sind und sich nicht dem Diktat der durchgehenden Tanzbarkeit beugen. Aber gerade dadurch entfliehen die Schweizer der Dumpfheit des Dancefloors und führen eine völlig andere Form der Brachialität vor, eine die immer wieder neu ist, weil sie nicht abstumpfend wirkt. Wagner und Vietnam eben, und definitiv das vollere Brett.

Am 8.3. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Eine seiner letzten Platten hieß Into the Great Wide Open, und genau das war Tom Petty immer für mich: Die Inkarnation des amerikanischen Traums, so wie ihn sich ein Europäer vorstellen darf. Mehr noch als Bruce Springsteen. Inzwischen geht er wieder mit seinen Heartbreakers auf Tournee, nachdem er jahrelang seinen eigenen Idolen hinterherhechelte und mit den Travelling Wilburies und Roger McGuinn Platten machte. Besser, weil so schön zäh und zurückgenommen, war er schon immer solo.

Am 10.3. um 20 Uhr in der Deutschlandhalle, Messedamm Thomas Winkler