SOMNAMBOULEVARD — INNERSPACE A GOGO Von Micky Remann

Weißt du noch?“, frage ich mich. „Nein“, sage ich zu mir, „ich kann mich nicht erinnern.“ Außer vielleicht an die Tatsache, daß ich vor kurzem noch versuchte, mein Einschlafen zu verhindern, aber offenbar erfolglos, denn was hätten sonst diese sechs Frauen, halb Göttinnen, halb Go-go-Girls, hier an meinem Bett zu suchen? Denk dir bitte mal sechs Punkte, die du am Traumkörper unheimlich gerne berührt haben möchtest. Ja, genau da. Und eben diese Punkte tippten besagte Go-go- Göttinnen mit sachtem Keyboard- Fingerdruck an und sprechen wunderliche Worte, wie in einer Quadrophonie mit sechs Ecken, quasi einer Sexophonie. „Wenn du wieder aufwachst und dich an das gute Gefühl erinnerst, das dich von diesem, ja, genau von diesem Punkt durchströmt“, spricht die im lila Tüll- Shirt, „wirst du dich erinnern, daß du nicht zu schlafen brauchst, um zu träumen, genausowenig wie du wach sein mußt, um wach zu sein.“ Das kapiere ich zwar nicht, aber dafür redet die andere weiter.

„Und wenn du das nächste Mal diesen Punkt fühlst, ja den, genau, dann wird dich jenes just dort gespeicherte Kribbeln erinnern, daß du, wenn du wach bist, jederzeit so tun kannst, als ob du träumst.“

„Und wußtest du schon, daß niemand wach ist, ohne gleichzeitig auch zu träumen?“, fragt die lächelnde dritte, „und daß Wachsein nur eine von tausend Möglichkeiten ist, den Bewußtseinsfluß zu lenken?“

„Das verstehe ich nicht“, sage ich, wenn auch unter dem Eindruck des größten Wohlbehagens.

„Ist doch spotteinfach“, sagt die nächste mit dem Mittelfinger. „Du erfährst die Welt nie, wie sie außen ist, sondern nur so, wie sie dir innen vorkommt.“ Darauf die vierte:

„Träumen heißt, frei darüber zu entscheiden, wie dir die Welt vorkommen soll, denn auch du erschaffst die Welt nach deiner inneren Darstellung. Wenn du draußen zum Beispiel Muff und Miesheit suchst, o.k., dann mußt du nur von früh bis spät mit deiner inneren Stimme nörgeln: ,Ich bin ein armes, depressives Schwein, und alle sind sie gegen mich — bäh!‘“

„Und siehe, auch dieser Traum wird in Erfüllung gehen“, sagt die fünfte, „und beim Bäcker wird der Mann vor dir die letzten Croissants weggekauft haben, und alle Hunde werden dich ankläffen wie einen Leprakranken, und im Briefkasten werden nur Rechnungen liegen, und du wirst sagen: Scheiße, wußte ich's doch!“

Darauf die letzte: „Wenn dir aber nach Highlights im Outerspace zumute ist, mußt du die Highlights im Innerspace schaffen. Laß deine Beine die Haltung von John McEnroe träumen, und alle Hunde stehen beifallklatschend auf den Hinterpfoten. Und die Bäckerstochter bittest du lieber zum Rendezvous, mit heißen Worten, die wie Lava aus dem Vesuv deines Mundes sprühen, während wir hinter dir ,Oh yeah!‘ singen wie die Supremes.“ Darauf drücken die Göttinnen alle sechs Go-go- Knöpfe gleichzeitig und befehlen meinem Traumkörper, sich ja daran zu erinnern. „Oh Yeah!“, sage ich.