Bankenstreik

■ betr.: "Bei den Banken gehen nicht alle Lichter aus", taz vom 29.2.92

betr.: „Bei den Banken gehen nicht alle Lichter aus“, taz vom 29.2. 92

An den Fakten hängt kpk in seinem Artikel nicht gerade. Da sieht er „(fast) ausschließlich bärtige Gewerkschaftsfunktionäre“ Streikposten stehen, obwohl die Frankfurter HBV mit allen Verwaltungsangestellten inklusive Drucker gerade über 13 weibliche und fünf männliche hauptamtliche Angestellte verfügt. Da sieht er rote Streikfähnchen vor Dresdener und Deutscher Bank flattern, obwohl nur erstere bestreikt wurde. Statt aufwendige Recherchen zu betreiben, ließ kpk seiner freizeitorientierten Schonhaltung wohl freien Lauf und spitzte in den „Gourmetrestaurants und Salatbars der City“ die Ohren. Daß sich dort — neben vielen Spesenrittern und -fräulein — auch Makler und (meist angestellte) Börsenhändler aufhalten, ist unbestritten. Das sind aber weder die typischen Bankangestellten noch die Banker, welche etwas zu sagen haben. Erstere sind mittags in den Kantinen, letztere in den vorzüglich geführten Vorstandskasinos zu finden.

Schade, daß kpk sich nicht etwas mehr Mühe gegeben hat, denn er hat interessante Fragen gestellt: Was für ein Streik ist denn bei so niedrigem Organisationsgrad möglich? Warum haben die Banken so treue Mitarbeiter? 1956 gab es in Frankfurt 100 HBV-Mitglieder im Bankenbereich, 1992 etwa 5.500 (zirka 12,5Prozent der Beschäftigten). Dahinter steckt ein komplexer Weg von Privatbanken zu den heutigen Großbanken mit ihrem Massengeschäft, was für die Beschäftigten zahlreiche Veränderungen bedeutete. Die alte Loyalität und das Selbstverständnis als Bankier lockern sich dabei.

Die bessere Bezahlung ist dabei nicht einmal der Hauptfaktor, der über Distanziertheit oder Loyalität entscheidet. Gut bezahlte Systemprogrammierer sind eher streikbereit als moderat bezahlte Kundenbetreuer. Worin sich aber heutzutage fast alle Beschäftigten bis hin zu den leitenden Angestellten nicht unterscheiden, ist, daß sie die Argumente der Bankarbeitgeber kritisch prüfen. Das sture Festhalten an der 39-Stunden-Woche — obwohl andere Branchen die 35-Stunden-Woche vereinbarten — und einer nur fünfprozentigen Lohnerhöhung — obwohl es den Banken außergewöhnlich gut geht — widerspricht dem Selbstverständnis der Angestellten, daß in unaufgeregten Verhandlungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Tatbestände ein faires Ergebnis erzielt werden soll.

Ein „Streik“ im Bankenbereich hat mehr die Funktion, diese Ansprüche der Individuen in gemeinsamen Aktivitäten sichtbar zu machen und ihnen damit eine neue Qualität zu geben, als die Produktion schmerzhaft zu unterbrechen. Das ist zwar kein habermasscher herrschaftsfreier Diskurs, aber es geht eher um Argumente, welche die Mitarbeiterbindung und das Image der Banken beeinflussen, als um die materiellen Folgen der Auseinandersetzung. Das wäre doch ein spannendes Thema für die taz. Oder? Ch.Geyer, Frankfurt am Main