Es darf nicht wahr sein

■ betr.: "War die RAF doch nur eine Fünfte Kolonne?", taz vom 27.2.92

betr.: „War die RAF doch nur eine Fünfte Kolonne?“ von Jürgen Gottschlich und Gerd Rosenkranz, taz vom 27.2.92

Zur Auseinandersetzung um unser Buch Die RAF-Stasi-Connection und den darin aufgestellten Thesen möchten wir im folgenden Stellung nehmen und einiges geraderücken. Gerade die taz spielt in dieser Auseinandersetzung eine Vorreiterrolle, die bei genauerem Hinsehen eher eine Verteidigungsposition überkommener Sichtweisen darstellt. Gerd Rosenkranz und Jürgen Gottschlich vermuten hinter unseren Thesen die Sichtweise „Kalter Krieger“, die schon immer wußten, daß die RAF nichts anderes gewesen ist als die „Fünfte Kolonne Moskaus“. Allein die Wortwahl des Vokabulars zeigt die Intention dieser Auseinandersetzung mit unserem Buch, die in der taz und anderen Medien nach dem bekannten Schema abläuft: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“ Dabei werden auch Zusammenhänge aus unserem Buch falsch dargestellt beziehungweise Widersprüche in den Aussagen der behandelten Personen geflissentlich übersehen.

Es stimmt, daß wir Inge Viett eine zentrale Rolle beim Zustandekommen und der Gestaltung der „RAF- Stasi-Connection“ zumessen. Es stimmt ebenso, daß wir nicht glauben, diese Kontakte seien erst 1978 zustande gekommen. Und es stimmt drittens, daß wir das Auftauchen des Decknamens „Maria“ bereits 1976, oder — wie die taz jetzt freundlicherweise mithilfe des Verfassungsschutzes meldet — sogar schon 1974 für ein wichtiges Indiz für unsere Thesen halten. Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz verfügte in den siebziger Jahren über zwei Quellen, die sich eingehend mit der „Bewegung 2.Juni“ beschäftigten. Es ist sehr gut möglich, daß über diese Quellen der Deckname „Maria“ an die Staatsschützer gelangt ist. Das heißt aber noch lange nicht, daß dies der Deckname von Inge Viett in der „Bewegung 2.Juni“ war. Rosenkranz und Gottschlich widersprechen uns ja an anderer Stelle auch nicht, daß Inge Viett im „2.Juni“ und in der RAF als „Zora“ bekannt war. In der DDR allerdings ist Inge Viett immer als „Maria“ aktenkundig gewesen. Und es hieße die Stasi unglaublicher Blödheit zeihen, wollte man annehmen, die Mielke- Genossen hätten einen dem Verfassungsschutz und den beiden Terrorgruppen bekannten Tarnnamen mirnichtsdirnichts zum Stasi-Decknamen umfunktioniert. Da hätte man auch gleich beim Klarnamen bleiben können.

Leider finden solche logischen Überlegungen keinen Raum, wenn sie unbequem sind. Stattdessen zaubert die taz Till Meyer aus dem Hut, der plötzlich eine völlig neue Variante der ersten Stasi-Kontakte zum „2.Juni“ zum besten gibt. Plötzlich will Till Meyer wissen, das Kommando zu seiner Befreiung sei beim Grenzübertritt CSSR-DDR aufgeflogen und in die Hände der Stasi geraten. Obwohl er zu dieser Zeit noch im Gefängnis saß, kennt er die Zusammenhänge genau und weiß auch, daß Inge Viett, die zu seinen Befreiern gehörte, bei diesen Stasi-Kontakten nicht dabei war. Ein hervorragender Informationsfluß, der nur völlig den Aussagen von Inge Viett entgegenläuft, die auf der gleichen Seite von der taz abgedruckt werden und auch in 'konkret‘ nachzulesen sind. Hier wiederholt Inge Viett ihre Darstellung, die sie auch vor Gericht gegeben hat, daß die ersten Kontakte zur Stasi bei einem ihrer Grenzübertritte im Frühjahr 1978 stattgefunden hätten, wobei sie auch die Möglichkeit eines Grenzübertrittes nach der Till-Meyer-Befreiung sondiert habe. Ja, was denn nun, Herr Meyer?

Des weiteren beschäftigt sich die taz erneut mit Monika Haas, die in unserem Buch ausschließlich unter den Namen „Schöne Frau“ und „Amal“ auftaucht. Auf Grund ihrer angeblichen persönlichen Gefährdung hat die „Schöne Frau“ eine einstweilige Verfügung gegen unser Buch erwirkt, gibt aber dennoch völlig ungefährdet Interviews zu den Inhalten unseres Buches. Hier nur eine — allerdings entscheidende — Richtigstellung: Wir unterstellen in unserem Buch an keiner Stelle der „Schönen Frau“ eine Mitgliedschaft in irgendeiner Terrorgruppe. Genauso wenig titulieren wir sie als BND- Agentin, und noch viel weniger unterstellen wir ihr, sie habe eine konspirative Wohnung, des „2.Juni“ in Paris „verraten“. Weil es gut paßt, wird an diesen Stellen unser Buch immer besonders ungenau gelesen und zitiert. Die Fragen, die wir stellen, müssen nicht nur für die Behörden, sondern auch für bestimmte politische Kräfte mehr als unangenehm sein. Die taz zitiert, auch Inge Viett habe gegenüber ihrem Anwalt erklärt, sie habe „keinerlei Verbindungen“ zu Monika Haas gehabt. In ihrem Beitrag für die Zeitschrift 'konkret‘ erwähnt Inge Viett dies mit keinem Wort.

Am Schluß noch einige Worte zu der ominösen Panzerfaust-Ausbildung von 1981 oder 1982. Wir legen in unserem Buch bewußt die Argumente für beide möglichen Zeitpunkte dar. Die Argumentation von Rosenkranz und Gottschlich lautet angelehnt an Inge Viett: Die Ausbildung hat stattgefunden — vielleicht 1981 —, aber natürlich habe die Stasi keine Ahnung gehabt, zu welchem Zweck. Es ist doch nicht im Ernst zu glauben, die Stasi hätte mit riesigem Aufwand und hochkonspirativ eine Panzerfaust-Ausbildung angesetzt, ohne damit ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, sondern nur weil ein paar RAF-Aktivisten gerade nichts Besseres zum Zeitvertreib einfiel. Soviel Naivität, wie die taz hier zeigt, kann sich doch wohl nur leisten, wer um jeden Preis an dem gepflegten Bild von der autarken RAF festhalten will.

Völlig ohne Sensationslust — Köln im Februar 1992 Michael Müller, Andreas Kanonenberg

P.S. Anders als von den Autoren Rosenkranz und Gottschlich dargestellt, ist unser Buch Die RAF-Stasi- Connection in den Buchhandlungen erhältlich.

Die taz bedauert die im Postskriptum korrigierte Fehlinformation. Ansonsten können wir uns leider nur dem Urteil des RAF-Experten Stefan Aust anschließen, der die „RAF-Stasi- Connection“ als „bemerkenswert schlecht recherchiert“ charakterisiert hat. Die Redaktion